Schneemond (German Edition)
Arm und zog ihn einfach mit sich in die Richtung, die der Assistent ihnen gezeigt hatte.
Sie betraten den Raum mit der Aufschrift
Pathologie Drei
.
Auf zwei Tischen aus Edelstahl lagen, unter weißen Tüchern, die sterblichen Überreste von Menschen. Als sie sich umsahen, entdeckten sie links von sich eine Glaswand, mit einer eingelassenen Türe, welche offen stand und in ein kleines Büro dahinter führte. Der kleine Raum war derart mit Büchern, Unterlagen und Geräten vollgestopft, dass sie die Person, die eifrig schreibend am Tisch saß, erst auf den zweiten Blick bemerkten. Doch Moore wusste sofort, wen er da vor sich hatte. Fast so als hätten sie laut gerufen, hob die Frau ruckartig den Kopf und starrte sie an. Samuel Moore erkannte Müdigkeit in Karen’s Zügen und Bewegungen, als sie sich mühsam erhob und langsam aus dem Büro zu ihnen trat. Sie war groß und schlank und hatte ihr braunes Haar streng nach hinten gekämmt und zu einem Zopf zusammengebunden. Ihr grüner OP-Kittel wies unterschiedliche Spuren auf, deren Herkunft Moore gar nicht wissen wollte.
»Da seid Ihr ja endlich«, begrüßte sie die beiden Männer etwas schroff, nur um dann viel sanfter hinzuzufügen: »Hallo Agent Torrens..... Hallo Sam...«
Sie ergriff seine Hand.
»Es ist schön, Dich wieder zu sehen, Sam! Auch wenn der Anlass nicht gerade erbaulich ist, wie ich zugeben muss. Aber trotzdem.... Es ist wirklich schön Dich wiederzusehen.«
Und sie schenkte ihm ein warmes Lächeln, voller Herzlichkeit.
»Danke Karen, die Freude ist ganz auf meiner Seite.«, erwiderte er eine Spur zu steif und es schien auch sofort ein Schatten über ihr Gesicht zu huschen.
»Sie sehen aus, als könnten Sie ein Stündchen Schlaf gebrauchen«, mischte sich Frank Torrens in dieses etwas seltsame Wiedersehen ein.
Karen Anderson hielt ihren Blick weiter auf Moore gerichtet, während eine gewisse Traurigkeit in ihre Züge floss. Dann wandte sie sich jedoch Agent Torrens zu.
»Ja, ich habe die letzten Tage auch wirklich nicht sehr viel geschlafen, was bei der Fleißaufgabe die Sie mir gestellt haben nicht gerade verwunderlich ist, Agent.«
Torrens schien trotz all seiner bisher geäußerten Vorahnungen ehrlich erstaunt.
»Wie meinen Sie das?«
Prof. Anderson überlegte kurz.
»Nun ja, diese beiden Leichen entsprechen in keiner Weise einem gängigen Schema. Aber Ihr werdet ja sehen.... kommt mit...«
Sie holte eine Handakte aus dem überfüllten Büro, trat mit den Männern an die beiden Seziertische und zog die Leichentücher mit einem fast schon eleganten Schwung von den Leichnamen, wobei sie Moore ein wenig an einen, die
Capote
schwingenden, Torero erinnerte. Moore sah nun die Leichen der beiden Frauen zum ersten Mal vor sich. Die Körper waren entstellt, durch grob vernähte Seziernarben an Brust, Bauch und Schädel. Vor allem die Ältere der Beiden war übersäht mit Blessuren und kleineren Wunden. Bei der Jüngeren war zudem eine grobe, gezackte Wunde dort, wo das linke Auge sein sollte. Karen Anderson blätterte in ihren Aufzeichnungen und schien schließlich zu einem Entschluss gekommen zu sein.
»Ich denke, ich sollte bei den einfachen und weniger spektakulären Sachen beginnen. Unterbrecht mich einfach, wenn Ihr Fragen habt, ok?«
Frank Torrens und Samuel Moore nickten beide wortlos. Torrens lehnte mit verschränkten Armen an einem der Arbeitstische vor der Wand, während Moore die Leichen interessiert näher musterte.
»Also, wir haben hier zwei Körper zur Obduktion erhalten. Die Jüngere nennen wir – mangels einer bisher eindeutigen Identifizierung –
Vicky
, die Ältere
Jane
. Sehen wir uns zuerst die Feststellungen und Befunde zu Vicky an. Leichnam, weiblich. Alter zum Zeitpunkt des Todes aufgrund verschiedener Gewebstests und serologischer Untersuchungen etwa vierundzwanzig. AlsTodesursache ist eindeutig die Verletzung im Bereich des linken Auges zu sehen. Das Opfer wurde mit einem circa dreißig Zentimeter langen, keilförmigen Holzsplitter im linken Auge aufgefunden und hier her verbracht. Der Holzsplitter wurde von links unten nach rechts oben mit einer derartigen Wucht in den Schädel getrieben, dass nicht nur das Auge und das umliegende Muskelgewebe zerstört wurden, sondern auch Jochbein, Tränenbein, Siebbein und sogar das Stirnbein um die Augenhöhle Frakturen aufweisen. Der Holzkeil verursachte in großen Teilen der linken, und auch in einigen Teilen der rechten Gehirnhälfte, irreparable Schäden, welche sofort zum
Weitere Kostenlose Bücher