Schneemond (German Edition)
Augenblicke, bis es ihm einfiel.
Das Ganze erinnerte ihn an ein großes Stück Knetmasse, das man in einer Hand fest zusammengedrückt hatte. Und diese Einbuchtungen, diese Fingerabdrücke.... Wo hatte er so etwas Ähnliches schon gesehen?
Und dann fiel es ihm ein und er stöhnte auf und blickte Torrens mit weit aufgerissenen Augen an. Wie durch Watte hörte er Karen’s Stimme. Weit entfernt und doch so glasklar, dass sich jedes Wort in sein Gehirn förmlich einbrannte. Und plötzlich fröstelte ihn.
»Was Ihr da seht«, sagte sie, »ist das Herz von Jane. Und so unglaublich es klingt, es wurde
zerquetscht und mumifiziert
. Und dabei waren, abgesehen von den Kratzern und Blessuren, keine äußerlichen Verletzungen feststellbar....«
Frank Torrens verlor nun endgültig jede Farbe und schien sich von der weiß gekachelten Wand nicht mehr abzuheben. Moore spürte förmlich, wie Angst und Schrecken durch den Körper seines Freundes und Partners rasten.
Schließlich, nach endlosen Augenblicken, klärte sich sein Blick ein wenig und mit zittrigen, blutleeren Lippen formte er ein Wort. Kein Ton drang aus seinem Mund, aber Moore verstand ihn so deutlich, als hätte er laut geschrieen.
»
Cabracán
........«
Kapitel 9.
V or einer halben Stunde hatte es zu regnen begonnen und der immer heftiger auffrischende Nordwestwind jagte die kalten Wassertropfen vor sich her und trieb sie ihm wie Nadeln in die Haut. Doch er stand, wie schon seit Stunden, auf dem Hügel und blickte mit tränenden Augen auf den von Gischtkronen übersäten See hinaus. Seine Gefolgsleute die sich in die Wagen dort unten am Waldrand zurückgezogen hatten, wurden immer unruhiger.
Er wusste das, er
spürte
das – doch es war ihm scheißegal.
Sie hatten ihm die ganze, lange Zeit zugesehen, wie er dort oben stand. Ruhig und unbeweglich wie eine Statue, anscheinend tief versunken in Meditation, in Anbetung an seinen Meister. Doch was wussten die schon, diese Arschlöcher, dieser Abschaum – wenn gleich auch ein sehr nützlicher Abschaum. Sie wussten gar nichts.
Er war nicht ruhig, er meditierte nicht – er war bis unter die Schädeldecke prall gefüllt mit Adrenalin. Er wollte platzen, er wollte schreien. Das war einfach Wahnsinn. Der größte Trip den er je geschmissen hatte. Wieder und wieder durchbrauste ihn dieses Gefühl der absoluten Überlegenheit.
Er war ein GOTT
!
Es war schon immer so gewesen, schon seit seiner frühester Kindheit. Wenn ihn etwas wirklich bewegte, ihn innerlich aufwühlte, dann zog er sich in sich selbst zurück, schien zur Bewegungslosigkeit zu erstarren, schien
hilflos
zu werden. Doch in diesem Zustand war er alles andere als hilflos und angreifbar. In diesem Zustand war er, wie eine geladene und entsicherte Waffe – jederzeit bereit zu töten. Der wirkliche Grund für seine Erstarrung war sein
Neid
. Er neidete jedem seine Gefühle, die ihn förmlich zerrissen, wenn er wieder einmal sein Ziel erreicht und seine Beute erlegt hatte. Wie in einem Rausch weidete er sich immer wieder an ihrer Furcht und ihren Schreien, an ihren Schmerzen und Leiden, hier in der Kathedrale seiner Seele, zu der nur er Zugang hatte.
Der Wind und der peitschende Regen, die ihn umtobten, ließen ihn kalt. Hier war er sicher und ungestört und immer und immer wieder beschwor er eine Hölle aus Blut und Tränen in seinem Geist herauf und vergnügte sich daran – ein Genuss den er mit keinem teilen wollte.
»Goran...«
Schon immer hatte er diese wertvollen Gaben im Überfluss besessen – Schläue, Gerissenheit, Skrupellosigkeit und Gefühlskälte. Anfangs hatte er sie noch ungestüm und ungelenk eingesetzt, doch im Laufe seines Lebens hatte er den Umgang mit diesen
Talenten
perfektioniert und war zu einem wahrenVirtuosen in ihrem Gebrauch gereift. Und schon immer hatte er gewusst, es tief in seinem Innern geahnt und gehofft, dass er ausersehen war, begnadet und von
seiner
schwarzen Hand berührt.
»Goran, bitte....«
Wie eine Schlange schoss sein Arm nach vorne und seine Hand krallte sich in die Kehle dieses verfluchten Störenfriedes, bereit ihm sein Genick zu brechen und ihn zur Hölle zu schicken.
Ohne erkennbare Anstrengung riss er den Mann, der einen guten Kopf kleiner war, als er, zu sich heran, stemmte ihn mühelos von den Füssen und hielt ihn sich so vors Gesicht, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten.
»WAS?«
Sein Gegenüber konnte nur röcheln und starrte ihn aus angsterfüllten und weit aufgerissenen Augen an.
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