Schneemond (German Edition)
hinauf, wo Billy sich inzwischen mühsam aufrappelte und rief:
»He Bill, wenn Du endlich fertig bist mit kotzen, oder was immer Du da tust, dann schwing Deinen dürren Arsch hier rüber... «
Langsam, eine Hand immer noch an seinen schmerzenden Hals gepresst, wankte Billy auf die Gruppe zu und blieb schließlich neben Goran stehen. Goran legte seinem
Freund
den Arm um die Schulter, als wäre nichts geschehen. Billy zuckte bei dieser Berührung sichtbar zusammen, was Goran, der inzwischen anscheinend wieder guter Laune war, ein Kichern entlockte.
»Hey Billy-Boy, sei doch nicht so schreckhaft.« Dann wandte er sich wieder Fish und seiner Gang zu.
»Also hört mir gut zu. Fish. Du und Deine Jungs schwärmt aus und treibt den alten Indianer auf. Schnappt ihn Euch und bringt ihn hierher. Aber macht das unauffällig und ohne die Bullen auf den Plan zu rufen.«
Sowohl Fish, als auch der Rest der Gang waren mehr als froh, eine Chance zu erhalten aus der Gegenwart von Goran – zumindest vorübergehend – zu verschwinden und machten sich sofort zum Aufbruch bereit, als Goran sienoch einmal zurückpfiff.
»Und Fish, mein Lieber, ich will den Alten unversehrt, ohne den kleinsten Kratzer! Hast Du mich verstanden?«
Fish nickte wortlos.
»Wenn nicht....«, fuhr Goran leise, aber sehr bösartig fort, »...zieh ich Dir persönlich die Haut von Deinem fetten Wanst!«
Es brauchte Goran’s sardonischen Blick gar nicht, um Fish davon zu überzeugen, dass dieser Bastard das nur allzu ernst meinte.
Als die Gang schließlich in die Wagen gesprungen und aufgebrochen war, wendete sich Goran Billy zu, den er fest im Arm hielt und Billy zitterte am ganzen Körper, als ihm Goran leise ins Ohr flüsterte.
»Und wir zwei Hübschen machen einen kleinen Kondolenzbesuch.... «
Kapitel 10.
E s war schon bemerkenswert, wie schnell man wieder in alte Gewohnheiten, die man längst abgelegt geglaubt hatte, hineinfand. Etwa zwei Woche nach ihrer Ankunft im Institut lehnte sich Lukas spät abends, am Schreibtisch in seinem Zimmer, zurück und erkannte verwundert, dass er langsam wieder ganz der Alte zu werden schien. Hatte er wirklich nur eine anspruchsvollere Aufgabe gebraucht, um aus der Sackgasse, in die sein Leben geraten war, herauszukommen?
Doch er erkannte, dass es nicht so einfach war. Sein Leben hatte irgendwie eine andere Richtung, einen neuen
Sinn
bekommen. Er ließ die vergangenen Ereignisse in seinen Gedanken Revue passieren. Hätte ihn in seinem früheren Leben, vor dem Unfall, diese Arbeit hier tatsächlich interessiert? Hier, in diesem Team?
Nein, sicher nicht.
Der Lukas Seger vor dem Unfall war ein Mensch der Superlativen gewesen. Er hatte riesige Bauprojekte mit einem gewaltigen Finanzetat im Rücken und einem umfangreichen Mitarbeiterstab unter sich, durchgezogen. Und dabei hatten ihn – immer das Gesamtziel, das große Ganze, vor Augen – Kleinigkeiten im Ablauf des Projekts oder drum herum, nicht geschert. Dafür gab es Leute in der Hierarchie, die sich darum zu kümmern hatten und die Informationen hierüber so aufzubereiten hatten, dass sie sich wieder in sein Gesamtbild einfügen ließen. Er hatte abgehoben und war in gewisser Weise über den Dingen geschwebt. Hätte Ben sich damals gemeldet, hätte er vermutlich nicht viel mehr als ein kurzes Telefonat und vielleicht einen schnellen Drink in irgendeiner lauten, teueren Bar für ihn übrig gehabt.
Doch dann war er hart und mit voller Wucht wieder auf der Erde aufgeschlagen. Er schloss die Augen und spürte die Tränen die sich hinter seinen Lidern sammelten, als er an Eva und Sara dachte. Und doch, trotz aller Trauer, die ihn bei diesen Gedanken immer noch überfiel, konnte er ihren Tod immer mehr akzeptieren und annehmen. Und mehr und mehr wichen die selbstzerstörerischen Qualen, die er sich bei den Gedanken, an seine Liebsten, in den letzten Jahren auferlegt hatte, einer tiefen, liebevollen Dankbarkeit für die Zeit, die ihm mit seiner Frau und seiner Tochter vergönnt gewesen war.
Und wieder wurde ihm bewusst, dass er eben
nicht
in alte ausgetretene Pfade zurückkehrte, sondern langsam neue Wege beschritt. Nur er selbst war immer noch der gleiche Mensch. Trotz aller Veränderungen die er durchmachte und noch durchmachen würde, blieb er doch der Mensch, als der er geboren war. So wie der Schmetterling tief in seinem Innern dasgleiche Insekt geblieben war, wie die Raupe, als der er begonnen hatte. Lukas verschränkte lächelnd die Arme vor der Brust. Der
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