Schneenockerleklat
selbstverständlich. Wie schön, dass dieser Albert offenbar ein eher
altmodischer Typ war.
»Schau dir an, was da rechts am Bildschirm auftaucht!«
Fossler, der sich inzwischen den PC des Opfers angesehen hatte, schien etwas
entdeckt zu haben. Und das sah tatsächlich vielversprechend aus, auch wenn es
sich in der linken Ecke des Monitors befand.
Es war das Foto einer etwas freizügig gekleideten jungen
Dame, deren Name anscheinend Sandy lautete. Die dazu gehörige Datei nannte sich
›My love‹, was an und für sich schon eine Aussage war. Dazu weitere Fotos von
Sandy. Im Garten, in der Küche, beim Spazierengehen und auch ganz ohne. Ein
hübsches Mädchen, ohne Zweifel, aber gut 15 Jahre jünger als der Mann. Und sie
hatte diesen ganz speziellen, gierigen Ausdruck in den Augen.
Den man aber, durch die Augen der Liebe gesehen, mit
verliebtem Verlangen oder, negativ formuliert, mit Geilheit verwechseln konnte.
Daneben gab es noch einen recht umfangreichen
E-Mail-Verkehr zwischen ›Deiner Sandy‹ und ›Deinem Berti‹. Unschuldig, süß,
verführerisch und geeignet, das Opfer auf die Leimrute zu bekommen. Es war
wirklich zum Herzerweichen.
Nachdem Fossler zwei Aufnahmen, natürlich nur solche mit der
bekleideten Sandy, ausgedruckt hatte, machten sich die beiden wieder auf den
Weg, um diese wirklich vielversprechende Spur weiterzuverfolgen.
Als sie das Haus verließen, rief ihnen eine alte Frau aus einem
Fenster im 1. Stock etwas nach. Interessiert drehte sich Helmbach um.
*
Am Zielhang der Hirschenkogelpiste war das
lebhafte Treiben zwischen den Slalomstangen inzwischen weitergegangen. Eben
hatte ein italienischer Commissario, der in Bruneck stationierte Sergio
Prociccio mit der Startnummer 3/B, mit 41,18 Sekunden eine neue Laufbestzeit
auf der zweiten Piste hingelegt. Auf Piste A führte nach wie vor Dorian Arm,
der Slalomweltcup-Zweite des Vorjahres. Mit 29,35 Sekunden. Keine halbe Minute,
eine Zeit, die wohl nur schwer zu unterbieten sein würde.
Die Ehrentribüne hatte sich mittlerweile gefüllt. Neben den
örtlichen und regionalen Honoratioren hatte auch die komplette Altherrenriege
der FECI mit Sir Frederick Swanhouse an der Spitze Platz in der wärmenden
Februarsonne genommen.
Palinski hatte sich einen Sitz in der letzten Reihe gesucht
und hoffte, in den nächsten 30 Minuten etwas entspannen zu können. Der gestrige
Tag war hart gewesen und der heutige würde es nicht weniger sein.
Vor allem aber stand ihm ein neuerlicher Ausflug nach Wien
ins Haus. Wenn dieser depperte Albert sich schon entführen lassen musste, warum
musste er das ausgerechnet in der Woche machen, in der die
FECI-Jahresversammlung stattfand.
Mario war gerade dabei, sich den wunderbar wärmenden Strahlen
der Sonne hinzugeben und einzunicken, als er wiederholtes Räuspern aus 1.300,
vernahm. Das bedeutete von schräg rechts vorne. Diese höchst beeindruckende Art
der Richtungsangabe hatte er erst unlängst in einem Gespräch mit
Bundesheeroffizieren mitbekommen.
Das Räuspern war von der Art, wie es eingesetzt wurde, wenn
man jemand auf sich aufmerksam machen wollte. Leicht ärgerlich ob der Störung,
öffnete er die Augen und blickte in das liebe Gesicht Sergeant Shelley
Wintrops. Die 27-jährige Polizistin aus Newcastle gehörte dem persönlichen Stab
Sir Swanhouse’ an.
»Excuse me«, säuselte ihn die betörende Rothaarige an, »Sir
Frederick bittet Sie, zu ihm zu kommen. Sehr wichtig, it’s very important.
Please«, fügte sie hinzu, da Palinski noch keine Anstalten gemacht hatte,
aufzustehen.
Was sollte er tun, wenn der große Boss der FECI
ihn zu sich kommen ließ? Seine Chancen auf die zugesagten zukünftigen Aufträge
für das Institut für Krimiliteranalogie gefährden, die der stellvertretende
Chef von Scotland Yard in Aussicht gestellt hatte? Man musste sich das nur
einmal vorstellen, Palinski kooperierte mit Scotland Yard.
Unter Zusammenarbeit mit dieser weltweit wohl
ersten Adresse in Sachen Verbrechensbekämpfung und -aufklärung konnte sich
Mario eine Menge vorstellen. Mit dem, was jetzt kommen sollte, hatte er
allerdings nicht gerechnet.
»Hello
Mario«, gab sich Sir Swanhouse leutselig, was für ihn eher untypisch war. »What
a lovely day and what a lovely country!«
Die fast schmalzige Eröffnung hätte Palinski Warnung sein und
zur sofortigen Flucht veranlassen sollen.
Aber nein, er stand da und wartete, bis der Scharfrichter so
weit
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