Schneenockerleklat
für die Startnummer 1/A:
90 Sekunden. Wahrhaft ein vielversprechender Auftakt.
*
Karl Helmbach hatte sich mit Jo Fossler in der
Konditorei ›Tosca‹ in Gersthof verabredet, nach zwei kleinen Braunen, einer
Topfengoulatsche und einem köstlichen Ribiseltascherl waren die beiden zu der
nahe gelegenen Wohnung Anita Abbersyns in der Herbeckstraße marschiert.
Auf den ersten Eindruck hin war die im zweiten Stock gelegene
Wohnung derart penibel sauber und ordentlich, dass sich die beiden Männer einen
Moment lang fragten, ob hier überhaupt jemand wohnte.
Als sie allerdings die Türe zum vierten Zimmer
öffneten, zu jenem, das offenbar das des vermissten Sohnes der
Wohnungsbesitzerin war, bot sich ihnen ein völlig anderes Bild. Der Raum sah
aus, als ob vor Kurzem ein Hurrikan der Stufe fünf über ihn hinweggefegt wäre.
Fußboden, Bett, Tisch und Couch waren bedeckt mit Kleidungsstücken, Büchern,
Papieren und weiß der Teufel sonst noch allem.
Wie mit Palinski vereinbart, zogen die beiden Männer
Handschuhe an, ehe sie mit der Durchsuchung des Raumes begannen. Da nicht
auszuschließen war, dass im Verlauf der Suche doch auch noch die Polizei ins
Spiel gebracht wurde, musste unbedingt Rücksicht auf vorhandene Spuren genommen
werden.
Die beiden Männer arbeiteten fast eine Stunde lang sehr
sorgfältig und gründlich. Dabei fanden sie nicht nur zahlreiche Hinweise auf
bestehende Schulden, in Kürze anstehende Zahlungen und vor allem geplante
Anschaffungen.
Besonders interessant war das schriftliche Angebot eines
Gebrauchtwagenhändlers aus Niederösterreich über ein Jaguar Coupé 1998, 74.000
km, das inklusive einiger kleiner Sonderausstattungen sage und schreibe 41.812
Euro kosten sollte.
Also das war schon ein Traum von einem Auto, der hätte dem
pensionierten Polizisten auch gefallen. Aber deswegen ein Verbrechen begehen?
Nein, immerhin war Vortäuschung einer Straftat auch nicht ganz ohne.
Er nickte seinem Kollegen Fossler zu. »Na, das wär schon ein
schönes Spielzeug, was?«
»Schön zum Anschaun, ja«, erwiderte Jo, »aber sauteuer,
reparaturanfällig bis zum Gehtnichtmehr und daher«, er schüttelte ablehnend den
Kopf, »nein danke. Da müsste ich schon sehr viel Spielgeld haben. Da ist mir
mein Mini schon lieber!«
Helmbach, der von der gerechneten Forderung der Erpresser
wusste und auch ihre Höhe kannte, war zufrieden. Also wenn das kein Beweis
dafür war, dass der eigene Junior die alte, hier wohnende Dame selbst schröpfen
wollte? Zumindest bisher.
Aber ohne fremde Hilfe hatte dieser Albert das sicher nicht
bewerkstelligt. Irgendwo musste er Helfer, ja, Komplizen gefunden haben.
Nach dem, was der erfahrene Ex-Polizist bisher schon vom
Entführungsopfer wusste und was ihm sein Instinkt sagte, war dieser Albert
nicht der Typ, der Kontakte zur Unterwelt hatte. Wenn überhaupt, dann nur
zufällig. Auch die eher einfältige Art, mit der das Verbrechen bisher
durchgezogen worden war, ließ auf Amateure schließen. Wahrscheinlich Menschen,
die Albert schon einige Zeit kannten.
Nicht unbedingt Freunde oder Kollegen, die regelmäßig mit ihm
Kontakt hatten. Nein, eher Zufallsbekanntschaften, wie man sie auf der Straße
macht, in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Kaffeehaus.
Was aber nicht ausschloss, dass es Briefe gab, Notizen oder
auch gemeinsame Fotos. Schnell geknipst und ebenso schnell wieder vergessen, in
einer Schachtel im Kasten. Und das, ehe man eines Tages auf eine dumme Idee
kam, die man einige Tage später sogar in die Tat umsetzte.
Also, ein großer Frauenheld schien dieser Albert ja nicht
gewesen zu sein. Auf den meisten Fotos war er mit einer älteren Frau zu sehen,
allem Anschein nach mit seiner Mutter.
Auf einigen anderen mit Frauen, bei denen es sich
aber um Verwandte, Bekannte aus dem Kochklub – ja, der Mann kochte tatsächlich
– oder Mitarbeiterinnen zu handeln schien.
Was der Privatdetektiv suchte, war vielmehr ein Weibchen.
Eine eher junge Frau, zumindest jünger als das Opfer, die ihn zur Umsetzung
seines Planes überredet oder ihm überhaupt erst die Idee dazu eingegeben hatte.
Denn Typen wie dieser Albert waren viel zu passiv, hatten zu
wenig kriminelle Energie, um so etwas selbst durchzuziehen. Solche Männer
führten nicht, sondern wurden geführt.
Es war ein Glücksfall, dass überhaupt so viele traditionelle
Fotos vorhanden waren. Bei dem heute modernen Digitalzeugs war das ja gar nicht
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