Schneenockerleklat
war.
»Billy hat etwas Schlechtes gegessen«, fuhr der Sir fort,
»und wird die nächsten zwei Stunden nicht aus dem Sanitary Room herauskommen!«
Aha, and so what, schoss es Palinski durch den Kopf, doch dann schwante ihm
absolut Abstruses. Commander Bill McEnery sollte in Kürze für den Yard den
Slalom bestreiten, im Gespann mit Britt Anderson, einem aufstrebenden
Musicalstar aus Wien. Ihre erste große Rolle hatte sie in ›Das Phantom und der
Opa‹ gehabt. Ihre Darstellung der Oma hätte der Bezeichnung Nebenrolle eine
völlig neue Dimension verliehen, hatten einige Rezensenten geschwärmt.
Palinski suchte fieberhaft nach einer Ausrede, aber der Sir
ließ ihm keine Chance. »Austria is the leading country in skiing and all
Austrians are good skiers«, stellte er apodiktisch fest und sicherte diese
Feststellung noch mit einem deftigen »Isn’t it?«ab.
»Und darum will ich Sie sehr bitten, lieber Mario, to
represent Scotland Yard bei diesem Skirennen!« Er klopfte Mario anerkennend auf
die Schulter. »And to make a good show!«
Ehe Palinski seine Sprachlosigkeit, einen Zustand, der ihm
bisher völlig fremd gewesen war, überwinden konnte, hatte sich Sir Swanhouse
auch schon abgewendet und war in Richtung VIP-Zelt losmarschiert.
»Forget it!«, flüsterte ihm Sergeant Shelley Wintrop zu, die
offenbar bemerkt hatte, dass ihm noch eine Antwort auf der Zunge lag, »and
race. I am sure, Sir Frederick will be grateful. Sehr dankbar sogar!«
Oh Gott, was sollte er bloß tun. Seit er das letzte Mal auf
den Brettern gestanden war, waren mindestens, also sicher gut 20 Jahre
vergangen. Und schon damals war Palinskis Stil eher als experimentell denn als
ausgefeilt zu bezeichnen gewesen.
Andererseits wieder, na vielleicht konnte es ja
so gehen.
*
Das war schon irgendwie lustig, fand Karl
Helmbach, und Jo Fossler stimmte ihm da durchaus zu. Die alte Frau, die ihnen
nachgerufen hatte, ihr Name war übrigens Havlanek, hatte sich über eine
Expresszustellerin der Post aufgeregt, weil sie sie als frech empfunden hatte.
Mehr noch, sie war ihr verdächtig vorgekommen, denn »Sie hod gsogt, da Kollege
mit der normaln Post kummt no, oba des is a Frau und ka Mau!«
Auf den vorsichtigen Einwand Helmbachs, dass das nicht
unbedingt etwas bedeuten musste, da die Expressbotin ja nicht wissen musste,
wes Geschlechts der/die hier zuständige PostzustellerIn war, meinte die Alte
resolut: »Oba so was was ma do. Söbst i kaun no an Mau von ana Frau unterscheiden!«,
sie kicherte zahnlos vor sich hin.
»Nix do, mit dem Madl hod wos net gstimmt. Des was i afoch.«
Nachdem damit nichts verhaut werden konnte, hatte Helmbach
ihr das eben ausgedruckte Foto von Sandy gezeigt.
»Jo, jo, des is des Madl«, Frau Havlanek war ganz aufgeregt
und kam sich ungemein wichtig vor. Was ihr, die beiden Privatermittler mussten
das widerwillig anerkennen, in diesem Fall durchaus auch zustand.
Das ging ja wie geschmiert, wunderte sich der Ex-Polizist,
falls jetzt im Postkastl der Frau Abbersyn noch das lag, was er vermutete, dann
war der Fall gelöst. Zumindest so gut wie.
Als ehemaliger Hundeführer hatte Helmbach früher
kaum mit aufgebrochenen Postkästen zu tun gehabt und wusste daher nicht genau,
um was für eine Art Delikt es sich dabei handelte. Schutz des Postgeheimnisses
oder so etwas in der Art. Auf jeden Fall aber war die gewaltsame Öffnung des
Briefkastls Sachbeschädigung und kam daher für den einstigen Polizisten nicht
infrage. Zumindest nicht, solange ihn keine besonderen Umstände dazu zwangen.
Jo Fossler hatte eine Idee und besorgte sich einen dieser
schrecklichen Kleiderbügel aus Draht, wie sie von Putzereien bevorzugt
verwendet werden. Frau Havlanek, seine Quelle dafür, fasste es als persönliche
Auszeichnung auf, dem höflichen jungen Mann damit helfen zu können.
»Wollns vielleicht a wos essn?«, rief sie ihm noch aus der
Küche nach. »Oda haums net an Durscht?«
Wie es schien, hatte sie für junge Männer eindeutig mehr über
als für junge Frauen. Und Jo schien einen besonderen Platz im Herzen der alten
Damen eingenommen zu haben.
Nachdem Helmbachs charmanter Kollege den Draht entwickelt
hatte, formte er daraus so eine Art Greifer, ähnlich einer Zange oder eher
einer Pinzette. Diesen führte er vorsichtig durch den Schlitz am oberen Rand
der metallischen Box ein und versuchte, durch Zusammenpressen der beiden
Drahtenden das darin befindliche Kuvert oder
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