Schneerose (German Edition)
sie
überhaupt sprechen.
„Ist alles okay, Lia? Du siehst verändert aus. Deine
Augen wirken ganz abwesend. Liandra? Hörst du mir zu?“
Lias Herz rast förmlich. Lindsay kann es durch das
umschlossene Handgelenk spüren und langsam bekommt sie es wirklich mit der
Angst zu tun. Das ist doch nicht mehr normal. Vielleicht hat die dumme
Kellnerin ihr Drogen ins Glas getan oder einer von den Idioten hat ihr
K.O.-Tropfen verabreicht.
Mikes Hände legen
sich um Lias Gesicht, doch diese fährt wie vom Blitz getroffen herum. Hinter
ihr baut sich ein Mann auf, für den Lindsay jegliche Worte fehlen. Er ist groß,
muskulös und seine Augen strahlen eisblau aus seinem blassen Gesicht, das von
eleganten schwarzen Wellen eingerahmt wird. Er trägt ein dunkles Hemd, das bis
zu seinem Bauchnabel offen steht und so einen tiefen Einblick auf seinen
Waschbrettbauch liefert. Wie ein männliches Model oder der Schauspieler eines
Hollywoodstreifens, geradewegs dem Fernseher entstiegen. Das muss er sein: der
Stalker.
„Ist er das?“, will
Lindsay neugierig wissen und folgt mit großen Augen Lias starrem Blick.
Mike hingegen
ergreift wütend, aber vor allem in Sorge Lias Handgelenk und reißt sie zu sich
herum. „Verdammt Lia! Hast du irgendwelche Drogen genommen? Jetzt red doch mal
mit mir!“
Die Verzweiflung in
Mikes Stimme hört nur Lindsay, denn Lia erreichen seine Worte nicht mehr. Sie
hat nur noch Augen für den Fremden, der ihr lässig seine Hand entgegen streckt.
Er scheint die anderen Clubbesucher genauso wenig wahrzunehmen wie Lia. Wie
magnetisch angezogen, reißt sich Lia von Mike los und lässt sich in die Arme
des Schönlings gleiten. Ihre Lippen treffen perfekt aufeinander und
verschließen sich zu einem filmreifen Kuss.
Mit offenem Mund
begafft Lindsay die Szene und kann ihnen nur hinterher blicken, als sie Arm in
Arm das „Exit“ verlassen, ohne dass Lia ihre Freunde auch nur noch eines
Blickes würdigt. Sie scheint sie vollkommen vergessen zu haben. Aber auch Mike
saust wütend und verletzt aus dem Club. Vielleicht ist das die Chance, auf die
Lindsay so lange schon gewartet hat und so rennt sie ihm eilig hinterher. Am
Ausgang stößt sie vor lauter Hektik mit einem komplett in schwarz gekleideten
Mädchen zusammen.
„Kannst du nicht
aufpassen?!“, knurrt die Fremde aufgebracht und schupst Lindsay grob zur Seite.
„Pass doch selber
auf!“, faucht Lindsay entrüstet zurück und erkennt das Mädchen. Sie ist aus
Lias Klasse, und heißt soweit sie sich richtig erinnert, Tru. Diese lässt
Lindsay jedoch links liegen und stürzt aus dem Club. Genau wie Lia und der
Modeltyp biegt sie eilig links ab, fast so, als würde sie die beiden verfolgen.
‘Wie kann man eigentlich nur so blöd sein?’ , fragt sich Mike, als er wütend aus dem Club stürmt. Seit Jahren ist er
in Lia verliebt, aber genauso lange weiß er auch, dass sie in ihm nie mehr als
den treuen, leicht trotteligen Freund sehen wird und doch macht er sich in
seiner nichtsnutzigen Naivität immer wieder Hoffnungen. Sei es nun, weil sie
ihn bittet, nein fragt, ob er sie in einen Club begleiten wolle. Oder weil sie
mal wieder Nachhilfe braucht. Lia hat einfach kein Interesse an ihm und wer
kann ihr das auch schon verübeln? Er weiß selbst, dass er nicht gerade dem
Traum schlafloser Nächte entspricht. Aber irgendwie dachte und hoffte er, so
gemein es sich auch anhört und so sehr er sich alleine für den Gedanken auch
schämt, Lia wäre nicht allzu wählerisch. Er will doch nur eine einzige Chance,
um ihr zeigen zu können, dass Männer nicht immer nur das Eine wollen, wie der
Idiot Bradley. Er wollte ihr Frühstück ans Bett bringen, mit ihr im Park
spazieren gehen, ihr wie ein echter Gentleman einen Kuss auf die Hand hauchen
und für sie da sein, wenn sie traurig ist. Er wollte ihr zeigen, wie schön
Liebe sein kann, aber Lia ist weder an ihm noch an der Liebe selbst
interessiert.
„Mike, jetzt warte doch mal!“
Er weiß sofort, dass es nicht Lia ist, die da nach
ihm ruft. Ihr zarte, zögerliche Stimme würde er immer wiedererkennen. Doch
diese ist fest und selbstbewusst, um nicht zu sagen vorlaut. Lindsay bleibt
leicht außer Atem bei ihm stehen.
„Benimmst du dich jetzt auch schon wie Lia?“, will
sie gespielt böse wissen, doch ihr Grinsen verrät sie. Mike findet das Ganze
jedoch überhaupt nicht witzig.
„Lass mich bloß mit Lia in Ruhe. Für heute ist mein
Bedarf gedeckt! Soll sie sich doch weiter von den Typen verarschen
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