Schneerose (German Edition)
ihr hübsches Antlitz fallen. Vor fünf Jahren hörte ihr Herz
zu schlagen auf. Seitdem diente ihr Claudia als Becher. Ihr Blut nährte sie und
spendete ihr Trost. Anfangs fürchtete Claudia sich vor ihrer Herrin, doch
schnell erkannte sie ihre tiefe Traurigkeit, die ihr das Herz schwer machte.
Sie ertrug es nicht sie so betrübt zu sehen. Jeden Morgen, wenn sie sich das
Bett mit ihrem Ehemann teilen sollte, war sie den Tränen nahe und zutiefst
verängstigt. Gustav Slawinik war nicht nur ein grausamer Herrscher, sondern
auch ein tyrannischer Ehemann. Nicht eine Freude gönnte er Chasity. Er hatte
ihr jeden Glanz genommen.
Eines
Morgens ertrug Claudia es nicht länger ihre Herrin so verzweifelt zu sehen und
nahm sie bei der Hand.
„Lasst
mich Euch helfen, Mylady Moundrell!“
Chasitys
Augen glitten herablassend und hoffnungslos über ihre treue Dienerin. „Wie
willst du kleiner Mensch mir helfen?!“
„Glücklich
ist, wer das, was er liebt, auch wagt, mit Mut zu beschützen.“
Lady
Moundrells Miene hellte sich mit einem Schlag auf und der alte Glanz kehrte
zurück in ihre leblosen Augen. Wie schwarze Diamanten begannen sie vor
Entzückung zu funkeln.
„Du
zitierst Ovid!“
„Ihr
liebtet einst seine Werke und kanntet alle auswendig. Es war so eine Freude
euch sie lesen zu hören.“
„Mein
geliebter Ehemann ließ jedes Einzelne von ihnen verbrennen.“, entgegnete
Chasity resigniert, verschwunden war der Glanz und die Freude aus ihrem
Gesicht.
„Die
Seiten mögen zerstört sein, doch kann er Euch nicht die Erinnerung an sie
nehmen.“, ermutigte sie Claudia, bevor sie fort fuhr. „Macht mich zu der Euren
und Ihr werdet nie alleine sein. Es wäre mir eine Ehre Euch auf Ewigkeit zur
Seite stehen zu dürfen. Euer Ehemann sollte dabei das geringste Problem
darstellen, Mylady.“
Chasity
begriff die Bedeutung der Worte ihrer Dienerin sofort und kalte Berechnung
schrieb sich in ihr Gesicht. Sie würde seine Demütigungen nicht mehr lange
ertragen. Lieber würde sie sich dem Sonnentod ausliefern als nur noch eine
Nacht mit ihm das Bett teilen zu müssen. Ihr Vater hatte sie geradewegs in die
Hölle geschmissen, als er sie diesem Scheusal zur Frau gegeben hatte. Er hatte
sie verkauft wie ein Stück Vieh. Nie würde sie ihm verzeihen können.
„Dann
soll er sein Todesurteil selbst unterschreiben.“
Aus
der Schublade ihres Schminktischs reichte sie ihr eine Phiole mit einer
Flüssigkeit so dunkel wie die Nacht. „Trink, meine Teure.“
Claudia
enttäuschten die Worte ihrer Herrin, doch sie verstand. Sie hatte sich erhofft,
dass Lady Moundrell sie selbst verwandeln würde, doch Gustav Slawinik würde es
genauso gut tun. Für Chasity würde sie alles tun. Und wenn es ihren Tod kosten
sollte ihr das zu beweisen, dann sollte es eben so sein. Das tödliche Gift
verschwand mit einem Schluck in ihrem Hals.
In
den Kleidern ihrer Herrin glitt sie in das Schlafgemach von Gustav Slawinik und
legte sich wie seine Frau zu ihm ins Bett. Von Wein betrunken erkannte er den
Verrat nicht und bestieg Claudia wie sonst jede Nacht Chasity, in dem Glauben,
sie sei sein Weib. Er biss sie und trank ihr Blut. Der Schmerz, den Claudia
empfand, war unerträglich. Am liebsten hätte sie geweint und geschrien, doch
sie wusste, dass sie es nur ein einziges Mal würde ertragen müssen. Schon bald
würde sie sich an ihm rächen können.
Es
dauerte nicht lange, da ließ er bereits von ihr ab und rollte sich müde zur
Seite. Chasity bedeutete ihm nichts. Sie war lediglich sein Weg zum Reichtum
der Moundrells gewesen.
Die
Wirkung des Gifts entfaltete sich. Die Welt wurde schwarz.
Lieblicher
Traubensaft tropfte auf ihre Lippen und sie schlug die Augen auf. Sie erblickte
blaue Unendlichkeit, schöner als jeder Sternenhimmel. Chasitys Augen waren voll
Liebe und Güte. Unermessliche Erleichterung spiegelte sich in ihnen. Von ihren
Händen tropfte Blut auf Claudias geöffneten Mund. Genießerisch leckte ihre
Herrin sich die Finger.
„Es
ist vollbracht, treue Freundin.“, frohlockte sie erfreut.
Claudia
blickte neben sich. Gustav Slawiniks Gesicht war aschgrau und wie zu Stein
erstarrt. Eine große Wunde klaffte aus seiner Brust, während Chasity sein Herz
in den Fingern zerquetschte.
Victors
Augen verengen sich zu Schlitzen.
„So
wie du von ihr sprichst, könnte man meinen, du begehrst sie.”
Wie
ätzende Säure schlagen Claudia seine Worte ins Gesicht. Auch dieser Punkt ist
in ihren zahllosen Diskussionen nicht
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