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Schneesterben

Schneesterben

Titel: Schneesterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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den Straßenbesen und räumte energisch die dunkelbraunen Köddel zur Seite, die die Schweine auf der Flucht hinterlassen hatten.
    Bremer hätte sie küssen mögen. Trotz der Schweinerei mit den Schweinen.
    Er verwarf den Gedanken, Karen anzurufen. Auch sie schien Zweifel nicht zuzulassen und Krista bereits aufgegeben zu haben. Andererseits: Warum sollte Krista etwas gestehen, was sie nicht getan hatte? Um ihren Mann zu schützen? So innig hatte die Ehe nicht ausgesehen. Aber verstehe einer die Frauen.
    Als er ins Haus zurückgehen wollte, kam Marie angelaufen, hochrot im Gesicht, die Schürze um die Hände gewickelt.
    »Was ist los?« Gottfried legte den Arm um seine Frau.
    »Tamara ist verschwunden.«
    Willi stöhnte auf. »Nicht schon wieder.«
    Alexander hob beide Hände gen Himmel und wandte sich ab.
    Bremer dachte an den Hirtenjungen, der einmal zu oft vor dem Wolf gewarnt hatte.
    Und dann kam das Auto um die Ecke gebogen, der Jeep, Kristas Jeep, das Auto, mit dem sie immer nach Klein-Roda gekommen war. Bremer merkte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte.
    »Ist das Krista?«
    »Ich hab’s doch gleich gesagt, daß sie es nicht war!« Und dann sahen alle dem Auto hinterher, das den Friedhofsweg hochfuhr und vor dem Häuschen der Reglers hielt. Die Autotür öffnete sich. Eine Gestalt stieg aus und ging um das Auto herum zur Heckklappe.
    »Das ist nicht Krista!«
    »Nein«, sagte Christine und diesmal hatte sie kalte Verachtung in der Stimme. »Das ist der Kerl!«
    Schon marschierte sie auf die einsame Gestalt da oben zu, die eine Reisetasche aus dem Auto holte. Bremer fürchtete das Schlimmste und beeilte sich, möglichst gleichzeitig dazusein.
    »Wir wollen Sie hier nicht«, herrschte Christine den Mann an, der in der Haustür stand. Bremer erschrak bei seinem Anblick. Thomas Regler war unrasiert, seine Augen waren fast zugeschwollen, es sah aus, als ob er sich am Türrahmen festhalten müsse.
    »Sagen Sie nichts, Regler, gehen Sie ins Haus«, sagte Bremer und versuchte, den Arzt zurückzudrängen. Aber plötzlich war Jens hinter ihm, den jeder Konflikt magisch anzuziehen schien, Alexander im Schlepptau, und schob ihn beiseite. »Haben Sie nicht gehört? Wir wollen, daß Sie verschwinden!«
    Regler rührte sich noch immer nicht, schien von einem zum anderen zu starren und schüttelte schließlich den Kopf, als ob ihm das helfen würde, einen klaren Gedanken zu fassen.
    »Hauen Sie ab!« schrie Alexander mit dem Mut der Feiglinge. Bremer atmete auf, als Regler endlich die Tür hinter sich zuzog. Plötzlich schienen sie nicht lange herzusein, die dunklen Jahre, als man auf dem Land kurzen Prozeß machte, wenn man glaubte, einen Verbrecher erwischt zu haben. Später sah man Regler ins Auto steigen und wegfahren. Und die Gestalt, die sich bückte und ihm einen Pferdeapfel hinterherwarf, hatte wie Christine ausgesehen.
    Am nächsten Tag fand man Tamara.

14
    D anach war nichts mehr wie zuvor. In und um Klein-Roda herrschte der Ausnahmezustand. Stunden später standen die Männer an der Theke vom »Rauschenden Brünnlein« und redeten mit roterhitzten Köpfen aufeinander ein. Bremer versuchte seit dem zigsten »Kastrieren!« und »Einen Kopf kürzer machen!« nicht mehr zuzuhören.
    Gregor Kosinski bemühte sich schon seit einer Weile um die Aufmerksamkeit des Wirts, der sich nicht minder erhitzt an den Debatten beteiligte. Man scherte sich offenbar in keiner Hinsicht um die Anwesenheit des ausführenden Organs der Staatsgewalt. Paul war sich nicht mehr sicher, ob er das beruhigend finden sollte.
    Klar hatte das was, wie eine Dorfgemeinschaft die Dinge regelte, ohne jedesmal die rechtsstaatlichen Institutionen zu behelligen. Bei kleineren Angelegenheiten ersparte das so manchem jungen Idioten den näheren Kontakt mit der Schule der Kriminalität im Knast. Bei größeren Konflikten aber erschien ihm der Ruf nach Polizei und Kadi zivilisiert im Gegensatz zu dem Gebrüll, das eine ländliche Gemeinde anstimmen kann, wenn es an ihr Heiligstes geht. Wenn es Frauen und Kinder betrifft, ruft man auf dem Land nach Blut. Nach dem Strick. Nach dem nächsten Baum.
    Kriminalhauptkommissar Gregor Kosinski hatte endlich zwei Bier ergattert und seufzte tief auf, bevor er seine schlaksige Gestalt auf den Stuhl an Bremers Tisch sinken ließ. »Was meinst du, wie die sich alle über das öffentliche Kastrieren der Täter freuen würden.«
    Bremer nickte. Sogar der Menschenfreund Gottfried hatte was von »An den Eiern aufhängen«

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