Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneesterben

Schneesterben

Titel: Schneesterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
schon bei einer ersten, sondern erst nach einer zweiten Verletzung gestorben, hätten wir zelluläre Reaktionen feststellen müssen.«
    Die Richterin nickte. Auch Karen ahnte, worauf Edith Manning hinauswollte. Wenn Hansen noch gelebt hatte, nachdem Krista Regler ihn umgefahren hatte, wenn er erst gestorben wäre, nachdem er ein zweites Mal… Verrückt! Wollte die Verteidigerin die Angeklagte etwa dem Verdacht aussetzen, einen Schwerverletzten nach der Ersttat noch richtig erledigt zu haben?
    »Andererseits: diese zellulären Reaktionen treten frühestens nach einer halben Stunde ein.«
    »So daß eine zweite Verletzung nicht feststellbar ist, wenn sie innerhalb dieser Frist auf die erste folgt«, sagte Karen, die ihre Haltung wiedergefunden hatte.
    Carstens blickte zu ihr herüber und nickte kurz.
    »Vorausgesetzt, die zweite Impression folgt in etwa dem Muster der ersten.«
    Die Richterin beugte sich vor. »Verstehe ich Sie recht, Herr Sachverständiger…« sagte sie.
    Carstens breitete die Hände aus. »Die Frage ist akademisch, Frau Vorsitzende, sofern sich nicht weitere Anhaltspunkte für den von der Verteidigerin vermuteten Tathergang finden lassen. Und das herauszufinden ist nicht unsere Aufgabe, sondern die der…«
    »Der ermittelnden Instanzen, schon recht.« Edith Mannings Lächeln wurde unanständig breit. »Vielleicht möchte sich die Beschuldigte äußern?«
    Die Regler kam Karen noch blasser vor als zuvor. Sie knetete mit beiden Händen ein Taschentuch und hatte die blauen Augen weit aufgerissen.
    Edith Manning sah kurz zu ihr herüber und richtete sich auf. Irgendwie brachte die kleine Person in den Männerjacketts und mit den kurzen Haaren es fertig, imposanter und größer auszusehen, als sie war. »Ich behaupte folgendes. Michael Hansen ist mit dem Auto angefahren worden. Daran aber ist er nicht gestorben. Schon kurze Zeit später ist ihm eine weitere Verletzung beigebracht worden, eine tödliche, bei der das Cranium durchbohrt wurde.« Manning sah zur Richterin hinüber.
    »Wir haben Anhaltspunkte, daß die Sache so und nicht anders abgelaufen ist.«
    »Sie werden uns diese Anhaltspunkte sicherlich gleich näherbringen«, meinte die Richterin, die Spaß am Gang der Verhandlung zu empfinden schien.
    »Spekulation!« Karen stand wieder auf. Sie kam sich vor, als ob sie es wäre, die die Angeklagte zu schützen hätte. Vor deren Verteidigerin!
    Die Richterin neigte den Kopf. Aber Krista Regler war schneller.
    »Ja, so ist es gewesen.« Ihre Stimme sollte wohl fest klingen.
    »Höre ich recht, Frau Regler? Michael Hansen ist erst angefahren und dann erschlagen worden – und das wissen Sie?« Edith Manning sprach leise. Aber die Aggressivität, mit der die Anwältin ihre Mandantin ansprach, verschlug sogar Karen den Atem. Wenn Krista Regler den Mann nicht nur umgefahren, sondern hinterher auch noch erschlagen hatte, dann war nichts mit Totschlag mit bedingtem Vorsatz. Man konnte noch auf Totschlag im Affekt plädieren, aber auch das trieb das Strafmaß über die von ihr geforderten sieben Jahre hinaus.
    Krista schüttelte den Kopf, als ob sie aus einem Traum auftauche. Dann sagte sie mit brüchiger Stimme:
    »Ja.«
    »Waren Sie dabei?«
    »Ja.«
    »War außer Ihnen noch ein anderer dabei?«
    »Nein!« Karen hörte die Panik in Krista Reglers Stimme.
    »Also Sie waren das? Sie haben einen hilflos vor Ihnen auf dem Boden liegenden Mann erschlagen?«
    »Ja.«
    »Mit einem – harten Gegenstand. Vielleicht – einem Stein?« Karen sah aus dem Augenwinkel, daß die Richterin Anstalten machte, sich einzumischen. Manning stellte Suggestivfragen.
    »Ja.« Krista schien immer nervöser zu werden. Warum? dachte Karen, plötzlich wieder mitleidslos. Sie wollte doch verurteilt werden. Sie hatte doch nie verteidigt werden wollen.
    »Und…« Edith Manning setzte sich wieder, lehnte sich zurück und lächelte, fand Karen, schrecklich selbstgefällig. »Und mit was für einem Stein haben Sie Ihren Liebhaber erschlagen?«
    Karen fixierte die Verteidigerin und schüttelte den Kopf. Das war nicht Edith Mannings Rolle. Das war ihre.
    Krista blieb stumm.
    »Wo haben Sie denn den Stein gefunden?« Edith Manning klang gönnerhaft, als rede sie mit einem störrischen Kind.
    »Er lag da.«
    »Wo? Im Schnee? Unter dem Schnee?« Krista nickte.
    Absurd, dachte Karen. Nein: unmöglich.
    »Und wie sah er aus?«
    »Wie ein Stein halt.«
    »Also blau, gelb oder schwarz?«
    »Schwarz. Also schwärzlich.«
    Edith Manning nickte mit

Weitere Kostenlose Bücher