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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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hören konnte. »Für mich wäre es schon merkwürdig genug, wenn es Anna zweimal gäbe, geschweige denn, dass ich mir vorstellen könnte, mit zweien von ihr zusammenzuleben.«
    »Merkwürdig nennst du das. Wenn du erst so lange verheiratet wärest wie ich, würdest du das nicht mehr als merkwürdig, sondern als Alptraum bezeichnen. Ich kriege schon allein bei dem Gedanken Herzrasen, abends säßen zwei Giselas auf meiner Couch.« Braun fasste sich mit beiden Händen an die Brust. »Aber man fragt sich im Ernst, wie diese Dreierbeziehung funktioniert hat.« Der Hauptkommissar dachte an den Vorabend zurück, an dem er, soweit die Situation es zuließ, in dieser Richtung schon einmal vorgefühlt hatte. Denn solange nicht geklärt war, ob Hanna Frombach einen Suizid begangen hatte oder ermordet worden war, sprach – einen Mordfall unterstellt – alles dafür, dass der Täter im allernächsten Umfeld des Opfers zu suchen war. Und die Tatsache, dass er am Vorabend erfahren hatte, dass alle drei in diesem Haus zusammengewohnt hatten und Dr. Teubert offenbar der einzige Mann im Leben beider Frauen gewesen war, bot allerhand Stoff für Eifersuchtsszenarien.
    »Wieso heißt er eigentlich Teubert und seine Frau Frombach?«, fragte Bendt.
    »Das interessiert mich auch. Vielleicht hängt es mit der Verknüpfung des Namens mit der Pferdezucht zusammen und hatte für die Schwestern berufliche Gründe.«
    »Oder sie wollten dokumentieren, dass sie mehr miteinander als mit Dr. Teubert verheiratet und verbunden waren«, meinte Bendt und rief in Braun die Erinnerung an das Foto der Erstkommunion der Schwestern wach, das er amVortag im Schlafzimmer der Verstorbenen auf der Fensterbank entdeckt hatte und auf welchem die damals ungefähr neunjährigen Mädchen in ihren weißen langen Kommunionskleidern mit den Blumenkränzen im Haar nahezu identisch ausgesehen hatten.
    Braun kam nicht dazu, die weitere Alternative in den Raum zu stellen, dass nämlich Dr. Teubert zwar nur einen Trauschein hatte, aber trotzdem mit beiden liiert war. Der Hausherr, dessen Alter Braun auf Mitte fünfzig schätzte, bugsierte gerade ein schwer beladenes Tablett in den Raum und kündigte an, dass seine Frau ebenfalls jeden Moment bei ihnen sein würde. Dann machte er sich daran, den Kommissaren Kaffee einzuschenken, was Braun Gelegenheit bot, ihn von der Seite unauffällig zu mustern. Der Mann sah zwar müde und abgespannt aus, wirkte jedoch wie schon am Vortag sehr gefasst. Der promovierte Mediziner war schlank, aber kräftig und trug ein weißes Oberhemd unter einem schwarzen V-Ausschnittpullover, der genauso teuer und neu aussah wie seine dunkelgraue Cordhose. Braun wäre gar nicht auf die Idee gekommen, einen Blick auf das eigene Beinkleid zu riskieren. Denn das hätte ihn möglicherweise zu dem Eingeständnis gezwungen, dass seine abgetragene Hose tatsächlich inzwischen nicht nur keineswegs mehr salonfähig, sondern kaum mehr geeignet für den Altkleidersack war.
    Dr. Teubert entdeckte Carla Frombach als Erster, als sie eintrat, und sprang auf. »Da bist du ja, Liebling!«, sagte er, eilte sogleich auf sie zu und legte ihr den Arm um die Schulter, um sie sodann den Kommissaren vorzustellen. Braun fragte sich, ob Bendt, als er ihr die Hand reichte, die gleiche Irritation empfand wie er selbst. Denn ihn hatte sofort einmerkwürdiges Gefühl beschlichen, als er die weiche kalte Hand der blassen Frau gehalten hatte. Nachdem er die Verstorbene am Morgen auf dem Seziertisch in der Rechtsmedizin gesehen hatte, stellte er jetzt fest, dass Carla Frombach der Toten auf so verblüffende Weise ähnelte, dass er, wäre er nicht auf diese Situation vorbereitet gewesen, vielleicht sogar zurückgezuckt wäre.
    Braun blickte Carla Frombach an und verdrängte das befremdliche Gefühl, neben jener Toten zu stehen. Carla war ungeschminkt, ihre Blässe wurde durch den schwarzen Rolli, den sie trug, noch unterstrichen. Der wesentliche Unterschied zur Hautfarbe der Schwester bestand allein darin, dass sie nicht die für Tote so typische blaustichige Färbung besaß und ihre Lippen nicht lila, sondern blass rosa schimmerten.
    Nachdem sich alle gesetzt hatten, legte Bendt das Aufnahmegerät auf den Tisch. Carla Frombach zitterte leicht und schien in dem riesigen Korbsessel, in dem sie eher kauerte als saß, fast zu versinken. Ihr waren die Verzweiflung und Trauer deutlich anzusehen. Braun ließ ihr Zeit, sich zu sammeln und einen Schluck Tee aus der Tasse zu trinken, die ihr

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