Schneetreiben
seinen, und noch bevor er sich ihr entziehen konnte, zuckte auch sie wie ertappt zurück, als sie bemerkte, dass der Kellner wieder an den Tisch getreten war, um die Bestellung aufzunehmen.
Teubert räusperte sich.
»Du musst etwas essen«, entschied er und orderte eine große Platte Antipasti und einen weiteren halben Liter Rotwein, ohne sie auch nur zuvor zu fragen, ob sie einverstanden war. Vermutlich konnte er ihr ansehen, dass sie ohnehin keinen Wunsch äußern würde.
»Mach es mir nicht so schwer, Susan«, sagte er, als der Kellner wieder gegangen war. »Ich stecke bis über beide Ohren in Schwierigkeiten. Wenn mir die Kredite für die Finanzierung des Ärztehauses gekündigt werden, weil der Praxisskandal publik wird und ich den Regressansprüchen der Kassen ausgesetzt bin, droht mir das finanzielle Aus.«
»Aber du bist doch unschuldig«, protestierte Susan, die von alledem nichts hören wollte, und blickte ihn aus verzweifelten Augen an.
Teubert seufzte und fuhr sich über die Stirn. Die Praxissache machte ihm offenbar mehr zu schaffen als ihre Schwangerschaft, und das versetzte ihrem Herzen einen Stich.
»Ich bin fünfundfünfzig und zu alt, um noch einmal von vorne anzufangen. Die Kassen interessiert es nicht, ob ichoder Röhrs die Falschabrechnungen zu verantworten haben. Die Gesellschaft, für die ich mit einem Großteil meines Privatvermögens bürge, haftet für den finanziellen Schaden, der entstanden ist. Susan, ich fühle mich alles andere als in der Lage, jetzt auch noch eine Trennung oder gar Scheidung durchzustehen.«
»Mir ist aber egal, ob wir von vorn anfangen müssen«, flüsterte Susan.
»Glaubst du im Ernst, dass es dir gefallen würde, auf Dauer mit einem über zwanzig Jahre älteren Mann zusammenzuleben, der keinen Pfennig verdienen darf, weil er in der Insolvenz ist?« Teubert lachte verächtlich auf.
Susan versuchte sich selbst gegenüber zu leugnen, dass auch der Wohlstand, der mit einer Beziehung zu Konrad verbunden war, sie reizte.
»Du hältst mich für komplett naiv, stimmt’s?«, fragte sie traurig.
Er antwortete nicht, sondern zuckte nur resigniert mit den Schultern.
»Ich will diese Heimlichkeiten nicht mehr«, erklärte sie und erinnerte sich wieder daran, in welche Richtung sie das Gespräch hatte lenken wollen.
»Zu mehr bin ich nicht bereit.« Teubert klang so entschlossen und klar, wie er es bei allen seinen Entscheidungen war. »Ich habe dir schon neulich gesagt, dass ich dich unterstützen will, und ich werde auch deine Entscheidung respektieren, das Kind auf die Welt zu bringen. Aber ich bin – und das gilt vor allem, solange meine Frau sich in dieser Ausnahmesituation befindet – nicht bereit, mich scheiden zu lassen.«
»Ihre Ausnahmesituation?«, brach es aus Susan heraus,und sie funkelte ihren Geliebten aus ihren tiefblauen Augen wütend an. »Fragst du dich manchmal auch, wie es für mich ist?« Obwohl Susan mit den Tränen kämpfte, wurde ihre Stimme immer lauter, und sie begann, sich in Rage zu reden. »Fragst du dich, ob es keine Ausnahmesituation darstellt, wenn man schwanger ist und der Mann, den man liebt, nur vorbeischaut, um mit einem zu schlafen und sich eine halbe Stunde später ins Wochenende mit seiner Frau verabschiedet?«
»Susan, bitte!« Teubert war anzusehen, dass er sich zusammenriss.
Obwohl Susan fürchtete, dass er jeden Moment aus der Haut fahren würde, sprach sie unbeirrt weiter: »Fragst du dich nie, ob es für mich keine Ausnahmesituation darstellt, immer auf dich warten zu müssen? Zu hoffen, dass du nach Feierabend oder an einem Montagmorgen eine Stunde vor Dienstbeginn unangemeldet in meiner Wohnung auftauchst, nur um …!«
»Verdammt, Susan, es reicht!«, zischte Teubert und vergaß sich für einen Moment offenbar so sehr, dass er mit der Faust auf den Tisch schlug. Dann senkte er seine Stimme wieder. »Wenn ich mich recht entsinne, hattest du an unseren Nächten in der Vergangenheit nicht weniger Spaß als ich.«
Sie blickten einander schweigend an, und Susan konnte deutlich sehen, dass auch Teubert schwer atmete und versuchte, seine Fassung zurückzugewinnen. Ihre Augen schwammen vor Tränen, als er nach einer Pause zu ihr sagte: »Du weißt, dass ich verrückt nach dir bin, immer sein werde.« Seine Stimme klang plötzlich ein wenig rau und heiser. Nur für einen kurzen Moment streifte sein Blick ihreBrust, die sich unter ihrem Dekolleté im Rhythmus ihres Atems hob und senkte, und in seinen Augen flackerte
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