Schneetreiben
nachtschlafender Zeit hier?«
»Emily hat sich heute spontan entschlossen, bei meinen Eltern zu übernachten«, erklärte Anna. »Du weißt doch, dass wir heute Nachmittag gemeinsam im Kindermuseum waren und dann noch zu meinen Eltern gefahren sind. Da habe ich gedacht, ich kontrolliere mal, ob hier nach sechs auch wirklich noch gearbeitet wird. Außerdem wollte ich dich überreden, Feierabend zu machen und mit mir eine Pizza essen zu gehen.«
»Sollte Ihnen das nicht gelingen, gehe ich mit«, scherzte Braun.
»Nichts da, du bist auf Kohlsuppendiät«, tadelte Bendt und ging, weil der einzige noch verfügbare Stuhl, der neben Annas stand, von einem Riesenstapel Akten blockiert war, zur Fensterbank hinüber und lehnte sich dagegen. Zwischen einigen Grünpflanzen stand Brauns uralte Kaffeemaschine, in der, wie Anna vermutete, mindestens seit Mittag abgestandener Kaffee vor sich hin schmorte.
»Das klingt ja ähnlich lecker, wie die Suppe da drüben aussieht«, sagte sie mit Blick auf das dunkelbraune Gebräu. »Das wollen Sie doch nicht ernsthaft noch trinken?«
»Wieso?« Braun schien ihren Ekel nicht zu teilen. »Derist gegen die Suppe, die meine Frau mir verordnet hat, das reinste Aphrodisiakum.«
»Na dann! Und Sie machen ernsthaft Diät?«, wollte Anna wissen. Braun streckte sich in seinem Stuhl und zog den Bauch ein. Anna schmunzelte, weil sich das Oberhemd des Hauptkommissars dennoch gefährlich über seinem Bauch spannte. Er wollte offenbar gerade etwas erwidern, doch Bendt kam ihm zuvor:
»Der Chef macht immer zwischen zwölf und dreizehn Uhr Kohlsuppendiät, wenn er seine Suppe isst. Für den Rest des Tages macht er dann wie immer Schnittlauchdiät, also alles essen außer Schnittlauch.«
»Glauben Sie diesem Mann kein Wort«, protestierte Braun. Er nahm eine Akte in die Hand und deutete an, sie in Bendts Richtung zu schleudern. »Wir hatten uns gerade über Teubert unterhalten, bevor du hier aufgetaucht bist.«
»Ach, wie spannend!«, erwiderte Bendt. »Habt ihr bei der Durchsuchung etwas gefunden, was uns weiterbringen kann?«
»Vor allem haben wir in der Praxis Berge von Abrechnungsunterlagen sichergestellt.« Anna schüttelte sich einmal demonstrativ, um zu zeigen, wie gruselig sie das fand. »Ich hoffe, eure Kollegen hier im Haus brauchen möglichst lange, um alles im Detail zu sichten und ihren polizeilichen Abschlussbericht zu erstellen. Ich verspüre wenig Neigung, die Akte allzu schnell wiederzusehen.«
»Und hast du irgendwelche Zufallsfunde gemacht, die uns weiterhelfen können?«, fragte Bendt.
Anna zuckte mit den Schultern. »Ich bin auf den Ehevertrag von Teubert und seiner Frau gestoßen. Sie haben Gütertrennung vereinbart.« Bendt gähnte demonstrativ. »Na,das ist ja eine unglaubliche Nachricht«, rief er ironisch. »Und was soll uns das sagen? Dass er sie umbringen müsste, um an ihr Geld zu kommen? Die Erbfrage hatten wir doch schon geklärt, oder nicht?«
Anna sah Bendt strafend an. »Leider kann ich euch nur sagen, was ich gefunden habe, ich habe nicht versprochen, dass es euch auch wesentlich weiterbringt.«
»Immerhin wissen wir jetzt, dass Teubert im Falle einer Scheidung keine Ansprüche gegen seine Frau hätte«, sagte Braun in versöhnlichem Ton.
»Na ja, sie umgekehrt aber auch nicht«, meinte Anna. »Ich schätze, dass er im Falle einer Scheidung dankbarer über das Bestehen dieses Ehevertrages sein kann als seine Frau.«
»Wieso?«, fragte Bendt. »Sie ist doch bestimmt viel reicher als er.«
»Du weißt immer noch nicht, wie man Zugewinn errechnet, oder?«, fragte Anna.
»Entschuldige, aber ich musste mich damit zum Glück noch nicht auseinandersetzen. Wie du weißt, bin ich unverheiratet«, entgegnete Bendt spöttisch.
»Frau Frombach hatte ihr großes Vermögen ja schon, als sie ihren Mann geheiratet hat«, erklärte Anna. »Auch wenn Eheleute keinen Ehevertrag haben, profitieren sie nach der Scheidung nur von dem Anteil des Vermögens, der während der Ehe erwirtschaftet wurde. Wenn schon Vermögensgegenstände vorhanden waren, zählt zum Zugewinn nur das, was gegebenenfalls an Wertsteigerung erzielt wurde.«
»Und im Zweifel hat Teubert mit seiner neuen Praxis einen weit höheren Zugewinn erzielt als seine Ehefrau«, schaltete Braun sich ein. »Die Pferdezucht der Schwestern wirft jedenfalls laut Frau Frombach nichts ab, und ob nunalle Immobilien, die die beiden haben, so wertstabil sind, weiß man nicht.«
»So ist es«, bestätigte Anna. »Und so ein
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