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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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hier soll, Susan«, sagte er etwas leiser und merklich verärgert. »Obwohl die Situation derzeit weiß Gott schwierig für mich ist und ich einige Probleme am Hals habe, tische ich meiner Frau eine Ausrede auf, um eine ganze Nacht mit dir verbringen zu können, und was finde ich vor?« Er sah sie an, als sei sie ein dummes Schulmädchen. »Du bittest mich hier in ein drittklassiges Lokal und …«
    »Ich wollte ein Treffen auf neutralem Boden«, wisperte Susan. Ihr schossen Tränen in die Augen. »Ich kann auf Dauer nicht so weitermachen, ich … es geht doch auch um das Baby …«
    Obwohl Susan nicht laut gesprochen hatte, schaute Teubert sich um, als müsse er sich vergewissern, dass sie niemand gehört hatte.
    »Susan, ich glaubte, wir haben das ausreichend geklärt«, sagte er und trank sein Rotweinglas in einem Zug leer. »Ich habe dir nie falsche Hoffnungen gemacht. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich ein verheirateter Mann bin, und gerade in der jetzigen Situation kann ich meine Frau nicht verlassen. Du weißt, dass sie vor gerade mal zwei Wochen ihre Schwester verloren hat!«
    »Ich weiß«, hauchte Susan. Sie erinnerte sich, wie sie am Morgen nach dem Tod von Hanna Frombach in die Praxis gekommen war. Wie beschwingt sie sich in dem Glauben gefühlt hatte, seine Frau sei tot und damit alle ihre Sorgen vom Tisch. Sie hatte sich schon in einem Hochzeitskleid neben ihm zum Altar schreiten sehen und sich zusammenreißen müssen, um nicht zu lächeln, während sie den Worten ihrer Kollegin gelauscht hatte, die wegen eines tragischen Todesfalles in der Familie des Mediziners alle Termine abgesagt hatte. Susan hatte sich in Gedanken schon im seichten Wasser des türkisblauen Meeres der Malediven gesehen, Konrad an ihrer Seite. Während Stefan Köhler vor versammelter Mannschaft erzählt hatte, wie er vor der Apotheke vergeblich auf Frau Frombach gewartet, wie er dann später, als sie nicht kam, den Tumult bemerkt hatte, der entstanden war, weil eine Frau dort leblos auf dem Asphalt lag, wie er begriffen hatte, dass es Frau Frombach sein musste … Sie hatte vor Erregung und Freude gezittert. Und dann hatte plötzlich jemand Hanna Frombach gesagt, und es war von Dr. Teuberts Schwägerin die Rede … Tausend Pfeile hatten in dem Moment ihr Herz durchbohrt, und sie war in Tränen ausgebrochen, was man allseits als ein Zeichen ihrer Loyalität und Sensibilität gewertet hatte.
    »Was ist los, Susan, du zitterst ja, ist alles in Ordnung?«,fragte Teubert und riss sie damit aus ihren Gedanken. »Du bist plötzlich ganz blass. Möchtest du an die frische Luft?«
    Der Ärger des Mediziners schien mit einem Mal verflogen zu sein. In seinen Augen lag ein Ausdruck tiefer Besorgnis.
    »Was? Ich, nein …«, stammelte sie. »Es geht schon wieder.«
    Der Arzt beobachtete sie für einen Moment kritisch, schien zu registrieren, dass ihre Wangen wieder Farbe annahmen, und sprach dann leise weiter.
    »Was erwartest du von mir, Susan? Meinst du, ich möchte dich verletzen oder bin glücklich mit dieser Situation? Glaub mir, unter anderen Umständen würde ich …«
    »Ich hatte so sehr gehofft, das Baby würde alles ändern«, flüsterte Susan. Sie fühlte sich hilflos und sehnte sich so verzweifelt nach einer Umarmung, dass es sie fast innerlich zerriss.
    Teubert lehnte sich mit einem tiefen Seufzer in seinem Stuhl zurück und sah ihr direkt in die Augen. »Babys fallen nicht vom Himmel, Susan. Du hast diese Entscheidung getroffen, ohne mich nach meiner Meinung zu fragen.«
    »Ich habe dir doch gesagt, es war ein Unfall«, verteidigte sie sich und schlug die Augen nieder, weil sie ihm ansah, dass er ihr nicht glaubte. Man brauchte weder Arzt noch Gynäkologe zu sein, um die Risiken einschätzen zu können, die tatsächlich für eine Frau gegeben waren, um trotz regelmäßiger Einnahme der Pille schwanger zu werden – auch sie wusste, diese gingen gegen null. Schon als sie ihm sechs Wochen zuvor unter Tränen in ihrer Wohnung von der Schwangerschaft berichtet hatte, war unübersehbar gewesen, dass er die Geschichte von der ungewollten Schwangerschaft fürein Märchen hielt, was irgendwie ja auch stimmte. Sie vermochte nicht zu leugnen, bei der Einnahme der Pille trotz der möglichen Konsequenzen zunehmend nachlässig geworden zu sein.
    »Du könntest dich scheiden lassen«, sagte sie tonlos und fühlte sich gleichzeitig wie eine jämmerliche Bettlerin. Ihre zitternde Hand tastete auf dem Tisch nach der

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