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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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einfach einen Moment bei mir sitzen und unterhalte dich mit mir«, forderte er seine Frau auf. Er blickte sie so eindringlich an, dass Carla schlucken musste: »Wenn ich dich anschaue, so blass und vor allem so dünn, wie du bist, habe ich das Gefühl, ich müsste mich eher um dich kümmern als umgekehrt. Du bist so zerbrechlich geworden, dass ich manchmal glauben könnte …« Er führte den Satz nicht zu Ende, weil er sich offenbar besann, doch Carla wusste, was er hatte sagen wollen.
    »Sprich es ruhig aus, … dass du glauben könntest, ich sei Hanna?«
    Teubert nickte, und Carla ergriff seine Hand.
    »Ich bin so froh, dass du wieder bei mir bist«, flüsterte sie.»Ich weiß nicht, wie ich all das wieder gutmachen kann. Ich kann noch immer nicht glauben, dass ich dir das angetan habe.« Carla schlug die Augen nieder, und für einen Moment lang sprach keiner von ihnen ein Wort. Sie schauten beide in den Kamin und hörten dem Knistern der Glut zu.
    »Wir müssen über das sprechen, was in jener Nacht passiert ist«, begann Teubert ernst das Gespräch.
    Carla war dankbar, dass er dieses Thema aufgriff. Denn er hatte sie in der Klinik gebeten, nicht im Krankenhaus über diese grauenvolle Nacht zu sprechen.
    »Ich weiß, dass wir uns unterhalten müssen«, bestätigte sie, »ich habe auch Fragen an dich.«
    Teubert ergriff das Wort, bevor Carla Gelegenheit erhielt, ihre Fragen zu formulieren: »Du möchtest wissen, warum ich dich angelogen habe? Carla, ich …« Er räusperte sich. »Ich muss dir ein Geständnis machen.« Der Ausdruck in den Augen ihres Mannes wirkte schuldbewusst und verzweifelt zugleich. »Liebling, ich bin ein schrecklich egoistischer Mensch, und du ahnst nicht, wie sehr es mich beschämt, dass du meinst, dich ständig bei mir entschuldigen zu müssen. Ich bin der, der sich zu entschuldigen hat.« Er umschloss ihre zarte Hand mit der seinen. »Ich bin nicht der Mann, für den du mich hältst, Carla. Du glaubst, ich bin stark und habe mein Leben im Griff, aber so ist es nicht. Ich habe riesengroße Fehler gemacht. Ich hätte mich niemals mit Röhrs auf die Vergrößerung der Praxis einlassen dürfen. Ich habe ihm blind vertraut und zu viele Dinge ungeprüft unterschrieben. Als ich dir nach der Durchsuchung gesagt habe, wir hätten nichts zu befürchten, es sei allein Röhrs, dem Strafe drohe, habe ich gelogen. Du weißt, ich bin mehr Arzt als Buchhalter …«
    »Aber Konrad, das …«
    »Lass mich bitte ausreden, Carla. Als ich in der Nacht, in der du auf mich geschossen hast, aus dem Anwaltsgespräch raus war, habe ich selbst erst begriffen, in welch prekärer Lage ich mich befinde. Ich glaube, ich muss mich mehr vor der Justiz fürchten als du.« Er atmete tief durch. »Ich wollte nicht nach Hause, nachdem ich begriffen hatte, was alles auf mich zukommen könnte. Ich weiß, deine Probleme sind ungleich größer als meine, und deshalb schäme ich mich, dass ich dich tatsächlich in jener Nacht allein lassen wollte, aber ich hatte so viel mit mir zu tun, dass ich das Bedürfnis  hatte, mit mir ins Reine zu kommen. Den Grund für meine Übernachtung in Hamburg hatte ich mir nur ausgedacht.«
    »Ja, aber, Liebling, wo wolltest du denn hin?«
    Konrad hatte mit ihr noch nie so offen darüber gesprochen, welche Ängste er hatte, und vor allem hatte er ihr gegenüber tatsächlich noch nie eingestehen müssen, einen existenziellen Fehler begangen zu haben.
    »Ich wollte in kein Hotel, und ich wollte auch von Anfang an nicht in Hamburg bleiben. Ehrlich gesagt, hatte ich mir vorgenommen, in der Praxis zu übernachten, und auf dem Weg dorthin bin ich bei diesem Italiener vorbeigekommen und habe angehalten, weil ich vor lauter Sorge den ganzen Tag vergessen hatte, etwas zu essen. Als ich dann später in meinem Büro saß und die Wände angestarrt habe, ist mir erst bewusst geworden, was für ein Narr und Egoist ich bin, und habe mich dann doch entschlossen, nach Hause zu fahren. Deshalb hast du auch erst so spät eine Nachricht von mir bekommen.« Er stockte erneut: »Jetzt ist es raus, verzeih mir, Carla.« Teubert führte ihre Hand zu seinen Lippen undküsste sie sanft. »Versteh bitte, ich war an jenem Tag so sehr mit meinen Problemen beschäftigt, dass ich keine Kraft hatte, auch noch deine zu ertragen.«
    Carla traten Tränen in die Augen. »Das ist in Ordnung«, sagte sie. »Ich bin die, deren ganzes Leben sich seit langem nur noch um Hanna gedreht hat. Erst seit Hanna tot ist, habe ich bemerkt,

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