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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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rief sie erneut, und obwohl sie keine Antwort erhielt, spürte sie doch die Gegenwart der Schwester. Sie kletterte die angelehnte Leiter hinauf, die auf den Boden der Scheune führte, und entdeckte Hanna sofort. Sie saß im Stroh und starrte ins Leere. Auf ihrem Schoß hatte sich eine kleine Katze zusammengerollt, die sie streichelte. Sie schien so in ihre Gedanken versunken zu sein, dass sie erst aufsah, als Carla sich neben sie auf den Boden setzte.
    »Hier steckst du also«, sagte Carla und blickte in das traurige Gesicht ihrer Schwester.
    »Ich möchte auch tot sein, Carla«, flüsterte Hanna. Sie sagte das oft, und Carla wusste, warum. Obwohl inzwischen einigeMonate verstrichen waren, erlebte sie den Unfall in ihren nächtlichen Alpträumen wieder und wieder. Hanna glaubte, dass Gott sie diese Träume erleben ließ, um sie zu bestrafen.
    »Du darfst mich nicht allein lassen«, flüsterte Carla und sah ihre Schwester für eine Weile an. Dann sagte sie: »Nur du hast gesehen, was an jenem Tag mit Mama passiert ist. Versuche es zu vergessen, und tu so, als seist du ich. Dann gibt es die traurige Hanna nicht mehr, dann ist es so, als seien wir ein und dieselbe Person und hätten das nie erlebt …«

25
    »Nehmen Sie Platz, Herr Keller«, bat Braun und deutete auf einen der Stühle in dem karg eingerichteten Vernehmungsraum. Keller setzte sich auf die Kante des Stuhls. Braun gewann den Eindruck, als würde er am liebsten jeden Moment wieder aufspringen wollen. Bendt stand etwas abseits an die Rückwand gelehnt, während Braun sich seinem Zeugen gegenüber auf den Stuhl auf der anderen Seite des kleinen Tisches setzte.
    »Ich danke Ihnen, dass Sie unserer Einladung ins Präsidium gefolgt sind«, sagte Braun einleitend. Er war tatsächlich erleichtert, den Zeugen an diesem Tag nun endlich vernehmen zu können. Denn der hatte sich nach Erhalt der Zeugenladung zunächst schriftlich gemeldet und den von Braun ursprünglich anberaumten Termin wegen einer Geschäftsreise abgesagt. Er sei für die kommenden zwei Wochen unabkömmlich, hatte Keller geschrieben, und Braun hatte schon befürchtet, dass der Zeuge ihn auf seine zweite Ladung hin erneut versetzen würde.
    »Herr Keller, wir haben Sie heute hierher eingeladen, um die Todesermittlungen im Fall Hanna Frombach voranzubringen. Was können Sie uns hierzu mitteilen?«
    »Gar nichts«, lautete die ebenso schlichte wie patzig klingende Antwort des ehemaligen Gutsverwalters der Schwestern. »Kann ich jetzt wieder gehen?«, fragte er und schickte sich an aufzustehen.
    »Moment bitte«, sagte Braun und wies sein Gegenübermit einer Geste an, sitzenzubleiben, »so schnell geht das hier nicht. Ich habe noch die eine oder andere Frage an Sie.«
    Keller schien über Brauns Ausspruch nicht sonderlich überrascht. »Und, was wäre noch?«, fragte er und sank zurück auf die Kante seines Stuhls.
    »In welchem Verhältnis standen Sie zu Hanna Frombach?«
    »Ich habe für sie und ihre Schwester gearbeitet«, antwortete Keller. »Dazu wurde ich, wie Sie sicher wissen, auch schon in anderer Sache befragt und sehe nicht die geringste Veranlassung, hier weitere Angaben zu machen.«
    Braun nickte. »Das müssen Sie auch nicht«, sagte er gelassen. »Da Sie ja derzeit im Verdacht stehen, sich in diesem Arbeitsverhältnis möglicherweise strafbar gemacht zu haben, steht Ihnen das Recht zu, die Angaben auf solche Fragen zu verweigern, durch die Sie sich einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen könnten. Entsprechend habe ich auch nicht vor, näher auf ihre berufliche Verbindung zu den Frombachs einzugehen. Was mich allerdings interessiert, ist, wie Sie privat zu Hanna Frombach standen.«
    Keller antwortete ebenso prompt wie gereizt: »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen. Ich stand, wie Sie es ausdrücken, privat überhaupt nicht zu Frau Frombach.«
    Braun musterte sein Gegenüber, bevor er wieder zu sprechen begann: »Wir haben gehört, dass sich zwischen Frau Frombach und Ihnen eine Liebesbeziehung angebahnt haben könnte und …«
    »Jetzt will ich Ihnen mal etwas sagen«, fuhr Keller in hitzigem Tonfall dazwischen. »Ich hatte keine Beziehung zu Frau Frombach, und ich weiß auch nicht, wer Ihnen das erzählthat. Noch weniger klar ist mir, was das mit Frau Frombachs Tod zu tun haben sollte.«
    »Gemach, gemach.« Braun gab sich betont gelassen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und hob die Hände. »Ich weiß gar nicht, weshalb Sie sich aufregen. Ich kann mich nicht erinnern,

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