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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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er schaute nicht ein einziges Mal zurück.

34
    »Frohes neues Jahr, Herr Keller. So schnell sieht man sich wieder«, sagte Braun, der diesem Mann nun das zweite Mal im Vernehmungszimmer gegenübersaß.
    »Sie können sich wahrscheinlich denken, weshalb ich Sie erneut hierher gebeten habe.« Der Hauptkommissar schlug seine Akte auf. Er blätterte darin herum und ließ sein Gegenüber ein wenig schmoren, während er so tat, als würde er lesen.
    »Gibt es etwas, das Sie mir bei unserem letzten Zusammentreffen vielleicht besser hätten gestehen sollen?«, fragte Braun herausfordernd.
    »Nein«, antwortete Keller, doch der Ausdruck in seinen Augen verriet deutlich, dass er log und überaus nervös war.
    »Sagt Ihnen eventuell der Name Schröder etwas?«, wollte Braun wissen.
    »Derer gibt es ja bekanntlich viele«, antwortete Keller. Er klang weit weniger souverän, als er es vermutlich bezweckte.
    »Dann will ich Ihnen mal auf die Sprünge helfen«, sagte Braun übertrieben freundlich. »Schröders sind reizende Eheleute, die eine Wohnung in der Königstraße bewohnen. Klingelt da bei Ihnen etwas?«
    Keller sagte nichts. Seine Hände, die wie zum Gebet gefaltet auf dem Tisch ruhten, krampften sich allerdings sofort zusammen.
    »Schröders bewohnen eine Wohnung«, erläuterte Braunweiter, »die, wie der Zufall es will, direkt unter jener liegt, von deren Balkon Hanna Frombach gestürzt ist. Herr Schröder war leider zu der Zeit, als dieses schreckliche Unglück passiert ist, nicht zu Hause, wohl aber zwei Stunden zuvor. Und eben zu dieser Zeit soll ein gutaussehender Mann an seine Tür geklopft und ihn gefragt haben, ob er zufällig wisse, wann die Besichtigung im oberen Stockwerk stattfinden werde. Jetzt raten Sie mal, Herr Keller, wem dieser Mann verdächtig ähnlich gesehen haben soll …«

35
    Carla konnte nicht anders, sie musste mit dem Hauptkommissar über ihren Verdacht sprechen. Sie hatte über Wochen schlecht geschlafen, obwohl sie jeden Abend Beruhigungsmittel einnahm. Die unbewältigte Trauer um ihre Schwester wurde inzwischen von einem weiteren Gefühl überlagert. Carla war wütend, unbeschreiblich wütend, denn sie war von Tag zu Tag mehr davon überzeugt, dass ihre Schwester umgebracht worden war und nicht Hanna, sondern ihr der Anschlag gegolten hatte. Sie glaubte, dass sogar Hansen darüber Bescheid wusste. Seit sie am Weihnachtsabend mit ihm auf dem Heuschober gesessen hatte, war sie sicher, dass er ihr etwas verheimlichte. Er war ihr an jenem Abend so fremd vorgekommen. Als sie immer wieder nachgebohrt und endlich gehofft hatte, er würde mit der Sprache herausrücken, war ihr Mann aufgetaucht, und Hansen hatte sich wieder vollends verschlossen und war gegangen.
    »Ich muss dringend mit Hauptkommissar Braun sprechen«, sagte sie atemlos, als sie die Anmeldung des Präsidiums erreicht hatte.
    Der Mann hinter dem Tresen schaute müde von seiner Zeitung auf und sah Carla missmutig an. »Sind Sie mit dem Hauptkommissar verabredet?«
    »Nein«, antwortete Carla nervös, »aber ich muss ihn sprechen. Es geht um den Mord an meiner Schwester.«
    Der Mann sah Carla misstrauisch an. »Herr Braun hat gesagt,ich könne mich jederzeit an ihn wenden«, fügte Carla hinzu. »Meine Schwester war die Tote vom Weihnachtsmarkt.«
    Der Mann griff wortlos nach dem Telefonhörer. »Wie ist Ihr Name?«, fragte er.
    »Carla Frombach«, antwortete sie und hoffte inständig, dass der Hauptkommissar tatsächlich im Büro anzutreffen war.
    Der Pförtner sprach kurz mit Braun und sagte dann: »Es ist in Ordnung, Sie dürfen hochgehen.«
    Carla ließ sich den Weg durch das Gebäude beschreiben und begab sich, nachdem sie die Sicherheitsschleuse passiert hatte, mit klopfendem Herzen zum Fahrstuhl. Als sie oben angekommen, Brauns Büro erreicht hatte, klopfte sie an.
    »Herein«, rief der Hauptkommissar und erhob sich von seinem Schreibtischstuhl, als Carla den Kopf durch die Tür  steckte. Er bemerkte sofort, wie dürr und abgespannt sie aussah. »Frau Frombach«, sagte er lächelnd und streckte ihr die rechte Hand entgegen. »Was führt sie zu mir?« Er nahm einige Akten von einem der Besucherstühle und bat sie, Platz zu nehmen. »Kann ich Ihnen ein Glas Wasser anbieten?«
    »Nein, danke«, erwiderte Carla. Ihre Augen wirkten trübe und matt, und die schwarzen Ringe darunter zeugten deutlich von Schlafmangel. Sie war ungeschminkt, und ihr Zopf hatte sich gelöst, so dass ihr einige Haarsträhnen auf die Schultern

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