schneewittchen in drei Akten
während des ganzen Abends und als es Zeit war, schlafen zu gehen, fasste er sich ein Herz und folgte dem Zwerg in die Kammer Schneewittchens.
„Du-hu, Isidor? Hättest du nicht Lust, hierzubleiben?“, fragte er freimütig, „Hier ist Platz für dich und im Stollen können wir ein paar zusätzliche Hände gebrauchen.“
„Wirklich?“ Isidor riss erstaunt die Augen auf und ein bezauberndes Lächeln glitt über sein Gesicht. „Du meinst, ihr wollt mich hier haben?“
„Na ja“, druckste Jockel herum, malte mit der Schuhspitze Linien auf die Bodendielen und hielt den Blick gesenkt. „Ich will dich hier haben. Mit den anderen rede ich noch.“
„Ach so, nur du“, murmelte Isidor und das Lächeln erstarb.
„Ja, nur ich“, sagte Jockel und fühlte Ärger aufsteigen.
„Entschuldige, das meinte ich nicht so“, lenkte der andere Zwerg erschrocken ein.
„Entschuldigung angenommen. Ich geh zu den anderen und bespreche das“, brummte Jockel versöhnt.
Natürlich hatten die anderen Zwerge Einwände, aber als Klaus sah, wie wichtig Jockel Isidors Anwesenheit war und er versprach, zu bleiben, wenn Isidor bliebe, gab der älteste Zwerg nach. Isidor sollte sich in der Miene beweisen, und wenn er der Arbeit fleißig nachging, dann hatte er auch ein Recht, in die Hütte einzuziehen.
Jockel war überglücklich und schlief in dieser Nacht vor Aufregung kaum. Um ihn herum war ein Kommen und Gehen, denn die Zwerge trennten sich nur schwer von alten Gewohnheiten und nutzten – trotz Schneewittchens Abwesenheit – den Schutz der Nacht für ihre körperlichen Aktivitäten.
In den folgenden Tagen bewies Isidor seinen Arbeitseifer und es schien, als wäre er zufrieden mit dieser Art Leben. Jockel hielt sich stets in seiner Nähe auf und sie scherzten bald miteinander, als wären sie alte Freunde. Auch die anderen Zwerge tauten auf und schon bald war Isidor ein Teil der Gemeinschaft.
Viele Wochen vergingen und kein Prinz kam, um Schneewittchen zu retten. Die Zwerge hielten jeden Abend eine kurze Andacht an ihrem Sarg ab und beteten, jeder für sich. Worum sie Gott baten, ist nicht bekannt.
Isidor schlief weiterhin in dem Einzelzimmer und das nächtliche Treiben setzte sich fort. Jockel wurde immer ungeduldiger und ganz oft schüttelte er sein Bäumchen, wenn er allein in der Schlafkammer zurückgeblieben war. Dabei dachte er an den schönen Isidor. Ob er eine Chance bei ihm hatte? Mochte Isidor überhaupt Männer, oder bevorzugte er Frauen?
Nun ist es bei Zwergen so, dass sich Männlein und Weiblein kaum voneinander unterscheiden, wenigstens so lange, wie sie bekleidet sind. Natürlich haben Zwergenfrauen Brüste und Vaginas, sind aber genauso behaart wie die männlichen Gegenstücke und tragen zumeist einen Bart. Daher sind sie oft gar nicht als Weiblein zu erkennen.
Eines Tages zog Isidor Jockel auf dem Rückweg vom Stollen beiseite und fragte: „Warum ist nachts immer so ein Lärm in der Stube? Es klingt fast, als wenn dort eine Elefantenherde durchziehen würde.“
Jockel errötete. Was sollte er nun antworten?
„Die anderen – die müssen oft raus. Ihre Notdurft verrichten. Einige sind – mondsüchtig, glaube ich.“
„Jede Nacht?“, staunte Isidor und hob die Augenbrauen, „Und die pinkeln draußen in die Büsche? Wir haben doch ein Wasserklosett in der Hütte.“
Jockel schluckte und überlegte fieberhaft, doch es wollte ihm keine bessere Ausrede einfallen.
„Weißt du, was ich glaube? Die treiben es draußen miteinander“, flüsterte Isidor verschwörerisch, „Ich hab den Verdacht, dass die Hälfte von uns Frauen sind. Bist du auch eine?“
Der Griff in seinen Schritt kam für Jockel überraschend. Er keuchte auf und presste automatisch die Beine zusammen.
„Nein, du bist definitiv kein Weib“, kommentierte Isidor trocken und grinste breit.
„Verflixt, du bist ein Ferkel“, schimpfte Jockel und schlug Isidors Hand weg, obwohl er sie viel lieber an dieser Stelle gelassen hätte.
„Bin ich das?“, sagte Isidor und er wirkte leicht enttäuscht.
„Das tut man nicht, wenigstens nicht, ohne vorher zu fragen“, knurrte Jockel, ließ den Zwerg stehen und rannte den Kameraden hinterher.
Dabei liefen seine Gedanken im Kreis und sein Biskuitstängchen hatte sich verhärtet. Warum hatte er Isidor nicht gewähren lassen? Vielleicht hätte der andere ihm sogar das Stängelchen massiert, doch irgendwie wollte Isidor mehr, als nur einen seelenlosen
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