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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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war.
    »Das Ding kostet zweihundertfünfzigtausend Euro«, behauptete einer der jüngeren Beamten in diesem Moment. »Wahnsinn, oder?«
    »Es dürfte über Nacht erheblich günstiger geworden sein«, entgegnete Bodenstein trocken.
    »Wieso?«
    »Es ist Ihnen vielleicht entgangen, aber auf dem Fahrersitz sitzt eine Leiche.« Bodenstein gehörte nicht zu den Männern, die beim Anblick eines roten Sportwagens komplett durch drehten. »Hat jemand das Kennzeichen überprüft?«
    »Ja«, ließ sich eine junge Beamtin aus dem Hintergrund vernehmen, die die Begeisterung ihrer männlichen Kollegen offenbar ebenso wenig teilte. »Das Fahrzeug ist auf eine Bank in Frankfurt zugelassen.«
    »Hm.« Bodenstein sah zu, wie Kröger seine Fotos schoss und anschließend mit einem Kollegen die Fahrertür des Autos öffnete.
    »Die Wirtschaftskrise fordert erste Opfer«, frotzelte jemand. Dann entbrannte eine neue Diskussion darüber, wie viel Geld man im Monat verdienen musste, um die Leasingraten für einen Ferrari Fiorano bezahlen zu können. Bodenstein sah einen weiteren Streifenwagen auf den Parkplatz rollen, gefolgt von zwei Zivilfahrzeugen.
    »Lassen Sie den Parkplatz weiträumig absperren«, wies er die junge Polizeimeisterin an. »Und schicken Sie bitte die Kollegen weg, die hier nichts zu tun haben.«
    Die junge Frau nickte und schritt energisch zur Tat. Wenige Minuten später war der Parkplatz abgesperrt. Bodenstein ging neben der geöffneten Fahrertür in die Hocke und betrachtete die Leiche. Der blonde Mann war noch jung, schätzungsweise Mitte dreißig. Er trug Anzug und Krawatte, am Handgelenk eine teure Uhr. Sein Kopf war zur Seite gekippt, auf den ersten Blick sah es aus, als ob er schliefe.
    »Morgen, Bodenstein«, sagte eine vertraute Stimme hinter ihm, und Bodenstein warf einen Blick über die Schulter.
    »Hallo, Dr. Kirchhoff.« Er erhob sich und nickte dem Rechtsmediziner zu.
    »Ist Pia nicht hier?«
    »Nein, heute darf ich mal ganz alleine ran«, erwiderte Bodenstein ironisch. »Fehlt sie Ihnen?«
    Kirchhoff setzte ein müdes Lächeln auf, ging aber auf die Bemerkung nicht ein. Er schien ausnahmsweise nicht in der Stimmung für sarkastische Bemerkungen. Seine Augen hinter den Brillengläsern waren gerötet; auch er sah aus, als habe er letzte Nacht nicht viel Schlaf bekommen. Bodenstein machte dem Rechtsmediziner Platz und ging zu Kröger hinüber; dieser untersuchte gerade die Aktentasche, die auf dem Beifahrersitz des Ferraris gelegen hatte.
    »Und?«, fragte er. Kröger reichte ihm die Brieftasche des Toten. Bodenstein zog den Personalausweis heraus und erstarrte. Er las den Namen ein zweites Mal. Konnte das bloßer Zufall sein?
    Die Oberärztin der Psychiatrie hatte Pia so ausführlich, wie es die ärztliche Schweigepflicht erlaubte, über den Zustand von Thies Terlinden informiert; nun war Pia mehr als gespannt darauf, den Mann zu sehen. Sie wusste, dass sie nicht zu viel erwarten durfte. Wahrscheinlich, so hatte die Ärztin gesagt, würde Thies gar nicht auf ihre Fragen antworten. Eine ganze Weile betrachtete Pia den Patienten durch das Fenster in der Tür. Thies Terlinden war ein ausgesprochen hübscher junger Mann mit dichtem, blondem Haar und einem sensiblen Mund, dem man nicht ansah, mit welchen Dämonen er zu kämpfen hatte. Nur seine Bilder verrieten etwas über seine inneren Qualen. Er saß an einem Tisch in einem hellen, freundlichen Raum und malte konzentriert. Obwohl er sich unter dem Einfluss der Medikamente wieder beruhigt hatte, gab man ihm keine spitzen Gegenstände wie Bleistifte oder Pinsel, deshalb musste er mit Wachsmalkreide vorliebnehmen, was ihn jedoch nicht zu stören schien. Er blickte nicht auf, als Pia in Begleitung der Ärztin und eines Pflegers den Raum betrat. Die Ärztin stellte Pia vor, erklärte ihm, weshalb sie hier war und mit ihm sprechen wollte. Thies beugte sich tiefer über sein Bild, dann lehnte er sich ruckartig zurück und legte die Wachsmalkreide auf den Tisch. Die bunten Stifte lagen nicht einfach herum, er hatte sie akkurat nebeneinanderplaziert, wie Soldaten beim Appell. Pia setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl und betrachtete ihn.
    »Ich habe Amelie nichts getan«, sagte er mit einer seltsam monotonen Stimme, bevor Pia etwas sagen konnte. »Das schwöre ich. Ich habe Amelie nichts getan, nichts getan.«
    »Das behauptet ja auch niemand«, erwiderte Pia freundlich.
    Thies' Hände flatterten unkontrolliert, er wiegte den Oberkörper vor und zurück, sein

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