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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Andreas?«
    Ostermann wiederholte, was er zuvor gesagt hatte. Pia lauschte ungläubig.
    »Das wäre ja der Hammer«, sagte sie. »Danke. Wir sehen uns später.«
    Sie steckte das Handy ein und schritt nachdenklich zurück zu Bodenstein.
    Tobias Sartorius ging an der Scheune vorbei und betrat den ehemaligen Kuhstall. Ganz Altenhain befand sich auf dem Friedhof, es würde ihn also niemand sehen, nicht einmal Nachbar Paschke, der alte Blockwart. Nadja hatte ihn oben am rückwärtigen Hoftor aussteigen lassen und war zum Friedhof gefahren, um an Lauras Beerdigung teilzunehmen. Tobias schloss die Tür der Milchküche auf und betrat das Haus. Das Gefühl, sich verstecken zu müssen, war grauenvoll. Er war für ein solches Leben nicht geeignet. Als er gerade die Treppe nach oben nehmen wollte, erschien sein Vater lautlos wie ein Schatten in der Küchentür.
    »Tobias! Gott sei Dank!«, stieß er hervor. »Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht! Wo bist du gewesen?«
    »Papa.« Tobias umarmte seinen Vater. »Ich war bei Nadja. Die Bullen würden mir ja doch nicht glauben und mich sofort einbuchten.«
    Hartmut Sartorius nickte.
    »Ich wollte mir nur ein paar Klamotten holen. Nadja ist auf die Beerdigung gegangen und holt mich später wieder ab.«
    Erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Vater an einem gewöhnlichen Vormittag zu Hause und nicht bei der Arbeit war.
    »Sie haben mich entlassen.« Hartmut Sartorius zuckte die Schultern. »Haben irgendwelche fadenscheinigen Gründe vorgeschoben. Mein Chef ist doch der Schwiegersohn von Dombrowski.«
    Tobias verstand. Die Kehle schnürte sich ihm zusammen. Nun war er auch noch daran schuld, dass man seinen Vater entlassen hatte!
    »Ach, ich wollte sowieso kündigen«, sagte Hartmut Sartorius leichthin. »Ich will wieder richtig kochen, nicht nur dieses gefrorene Zeug auftauen und auf Teller schaufeln.« Dann schien er sich an etwas zu erinnern. »Für dich war heute ein Brief in der Post.«
    Er wandte sich um und ging in die Küche. Tobias folgte ihm. Der Brief hatte keinen Absender. Am liebsten hätte er ihn sofort in den Mülleimer geworfen. Wahrscheinlich nur wieder eine gemeine Beschimpfung. Er setzte sich an den Küchentisch, riss den Umschlag auf und faltete den vornehmen chamoisfarbenen Papierbogen auseinander. Verständnislos betrachtete er den Briefkopf einer Schweizer Bank, bevor er den handschriftlich verfassten Text zu lesen begann. Schon die ersten Zeilen trafen ihn wie ein Faustschlag in den Magen.
    »Von wem ist das?«, erkundigte sich sein Vater. Draußen donnerte ein Feuerwehrauto mit Blaulicht und Sirene vorbei, die Fensterscheiben klirrten. Tobias schluckte. Er blickte auf.
    »Von Lars«, krächzte er heiser. »Von Lars Terlinden.«
    Das Tor zum Grundstück der Terlindens stand weit offen. Der scharfe Brandgeruch drang selbst durch die geschlossenen Autofenster. Die Feuerwehrfahrzeuge waren quer über den Rasen gefahren und hatten tiefe Spuren in dem sumpfigen Boden hinterlassen. Aber nicht die Villa stand in Flammen, sondern ein Gebäude weiter hinten auf dem großen Gelände. Pia ließ das Auto auf dem Vorplatz des Hauses stehen und näherte sich mit Bodenstein zu Fuß dem Brandort. Der Qualm trieb ihnen die Tränen in die Augen. Die Feuerwehr schien das Feuer bereits unter Kontrolle zu haben, es waren keine Flammen mehr zu sehen, nur dichte, dunkle Rauchwolken quollen aus den Fensteröffnungen. Christine Terlinden war ganz in Schwarz gekleidet, offenbar war sie auf der Beerdigung gewesen oder hatte gerade hinfahren wollen, als sie das Feuer bemerkt hatte. Sie blickte schockiert auf das Spektakel, das Durcheinander von Schläuchen, die Feuerwehrleute, die durch die Beete trampelten und den Rasen zerstörten. Neben ihr stand ihre Nachbarin, Daniela Lauterbach, bei deren Anblick sich Bodenstein unwillkürlich an einen seiner wirren Träume der letzten Nacht erinnerte. Sie drehte sich um, als ob sie seine Gedanken gehört hätte, und kam auf ihn und Pia zu.
    »Hallo«, sagte sie kühl und ohne die Spur eines Lächelns. Ihre blanken, haselnussbraunen Augen wirkten heute wie gefrorene Schokolade. »War Ihr Besuch bei Thies erfolgreich?«
    »Nein«, erwiderte Pia. »Was ist hier los? Was für ein Gebäude brennt da?«
    »Die Orangerie. Thies' Atelier. Christine macht sich große Sorgen, wie Thies reagieren wird, wenn er erfährt, dass seine ganzen Bilder verbrannt sind.«
    »Wir haben leider noch weitere schlimme Nachrichten für Frau Terlinden«, sagte Bodenstein.

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