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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Küchenfenster beobachten, wie sie geschäftig hin und her ging. Er hatte noch eine Besprechung mit Dr. Engel gehabt, wegen Behnke. Der Vorfall hatte sich natürlich wie ein Lauffeuer im ganzen Kommissariat herumgesprochen. Nicola Engel hatte die Suspendierung Behnkes gutgeheißen, aber nun hatte Bodenstein ein ernsthaftes Personalproblem. Nicht nur Behnke, sondern auch Hasse fehlte.
    Auf der Fahrt nach Hause hatte Bodenstein darüber nachgegrübelt, wie er sich Cosima gegenüber verhalten sollte. Stumm seine Sachen packen und verschwinden? Nein, er musste die Wahrheit aus ihrem Mund hören. Er empfand keinen Zorn, nur das ganz und gar elende Gefühl bodenloser Enttäuschung. Nach Minuten des Zögerns stieg er aus und überquerte langsam die regennasse Straße. Das Haus, das Cosima und er damals zusammen gebaut hatten, in dem er zwanzig Jahre gewohnt hatte und glücklich gewesen war, in dem er jeden Winkel kannte, erschien ihm plötzlich fremd. Jeden Abend hatte er sich gefreut, nach Hause zu kommen. Er hatte sich auf Cosima gefreut und auf die Kinder, auf den Hund und auf die Gartenarbeit im Sommer, aber jetzt graute ihm davor, die Haustür aufzuschließen. Wie lange schon lag Cosima nachts neben ihm im Bett und sehnte sich insgeheim nach einem anderen Mann, der sie streichelte und küsste und mit ihr schlief? Hätte er Cosima nur heute nicht mit diesem Kerl gesehen! Aber es war passiert, und nun schrie alles in seinem Innern
Warum? Seit wann? Wie? Wo?
    Niemals hätte er geglaubt, dass er einmal in eine solche Situation geraten würde. Seine Ehe war gut gewesen, bis … ja, bis Sophia auf die Welt gekommen war. Danach hatte sich Cosima verändert. Sie war schon immer rastlos gewesen, ihre Expeditionen in ferne Länder hatten aber ihre Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer so weit befriedigt, dass sie in den restlichen Monaten den Alltag ertragen konnte. Er hatte das gewusst und ihre Reisen klaglos akzeptiert, obwohl er die langen Trennungen immer gehasst hatte. Seit Sophia auf der Welt war, seit knapp zwei Jahren also, war Cosima zu Hause. Sie hatte ihn nie spüren lassen, dass sie unzufrieden war. Aber rückblickend erkannte er die Veränderungen. Früher hatten sie nie gestritten, jetzt taten sie es häufig. Es ging immer nur um Kleinigkeiten. Sie machten sich gegenseitig Vorwürfe, kritisierten auf einmal die Marotten des anderen. Bodenstein stand mit gezücktem Schlüssel vor seiner Haustür, als plötzlich und unerwartet der Zorn in ihm aufflammte. Wochenlang hatte sie ihm damals ihre Schwangerschaft verheimlicht.
Sie
hatte sich ganz allein für das Kind entschieden, ihn vor vollendete Tatsachen gestellt. Dabei hatte ihr klar sein müssen, dass mit einem Baby mit ihrem Zigeunerleben wenigstens für eine Weile Schluss sein würde.
    Er schloss die Tür auf. Der Hund sprang aus seinem Korb und begrüßte ihn erfreut. Als Cosima in der Küchentür erschien, sackte Bodenstein das Herz in die Kniekehlen.
    »Hallo.« Sie lächelte. »Du bist spät dran heute. Hast du schon gegessen?«
    Da stand sie, in demselben seladongrünen Kaschmirpullover, den sie auch heute Mittag im Ebony Club getragen hatte, und sah aus wie immer.
    »Nein«, erwiderte er. »Ich habe keinen Hunger.«
    »Falls doch, ich hab noch Frikadellen und Nudelsalat im Kühlschrank.«
    Sie wandte sich ab, wollte zurück in die Küche gehen.
    »Du warst heute nicht in Mainz«, sagte er. Cosima blieb stehen und drehte sich um. Er wollte nicht, dass sie ihn anlog, deshalb sprach er weiter, bevor sie etwas sagen konnte. »Ich habe dich heute Mittag im Ebony Club gesehen. Mit Alexander Gavrilow. Streite es bitte nicht ab.«
    Sie verschränkte die Arme, blickte ihn an. Es war ganz still, der Hund spürte die plötzliche Spannung und verschwand lautlos in seinem Korb.
    »Du bist in den letzten Wochen fast nie in Mainz gewesen«, fuhr Bodenstein fort. »Vor ein paar Tagen kam ich aus der Rechtsmedizin, da bist du zufällig vor mir hergefahren. Ich habe dich angerufen und gesehen, wie du das Telefon abgenommen hast. Und da hast du behauptet, du seiest noch in Mainz.«
    Er verstummte. Hoffte noch immer in einem Winkel seines Herzens, dass sie ihm lachend eine völlig harmlose Erklärung bieten würde. Aber sie lachte nicht, stritt nichts ab. Stand einfach da mit verschränkten Armen. Keine Spur von Schuld-bewusstsein.
    »Sei bitte ehrlich zu mir, Cosima.« Seine Stimme hörte sich in seinen Ohren kläglich an. »Hast du … hast du … ein Verhältnis mit

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