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Schneewittchen muss sterben

Schneewittchen muss sterben

Titel: Schneewittchen muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Bahnsteig überwachte. »Wir sollten uns die Bänder ansehen. Mit etwas Glück ist der Winkel der Kamera so groß, dass wir die Brücke sehen können.«
    Bodenstein nickte nachdenklich. Mussten heute Abend zwei Familien mit schlimmen Nachrichten fertig werden, nur weil ein Gelegenheitsräuber eine Handtasche klauen wollte? Nicht dass es etwas am tragischen Ergebnis geändert hätte, dennoch erschien es Bodenstein entsetzlich, dass Tod und Verstümmelung aus einem so lächerlichen Grund resultieren sollten. Zwei Beamte kamen aus der Unterführung. Sie hatten auf dem Parkplatz neben der Böschung zum Bahnsteig einen roten Honda Civic gefunden, zu dem der Autoschlüssel aus der Jackentasche der Frau passte. Die Kennzeichenüberprüfung hatte ergeben, dass die Halterin des Fahrzeuges in Neuenhain wohnte. Ihr Name war Rita Cramer.
    Bodenstein rangierte seinen BMW gekonnt in eine Parklücke vor dem hässlichen Hochhaus im Bad Sodener Stadtteil Neuenhain. Pia musste eine Weile suchen, um unter den rund fünfzig Klingelschildchen das von Rita Cramer zu finden. Niemand meldete sich. Also versuchte Pia es wahllos bei anderen Mietern, bis sie endlich jemand hereinließ. Das Haus, so hässlich es von außen war, war im Innern sehr gepflegt. Im vierten Stock wurden Bodenstein und Pia von einer älteren Dame erwartet, die mit einer Mischung aus Argwohn und Neugier ihre Ausweise in Augenschein nahm. Pia warf ungeduldig einen Blick auf die Uhr. Beinahe neun! Sie hatte Christoph fest versprochen, auf Annikas Party zu kommen, und es war nicht abzusehen, wie lange die ganze Sache hier noch dauern konnte. Eigentlich hatte sie heute Abend freigehabt. Innerlich verfluchte sie Hasse und Behnke.
    Die Nachbarin war ein wenig mit Rita Cramer befreundet und hatte einen Schlüssel für deren Wohnung, den sie ohne Umstände herausrückte, nachdem Bodenstein und Pia sich ausgewiesen und von dem Unfall erzählt hatten. Leider wusste die Nachbarin nicht, ob Rita Cramer Angehörige hatte. Besuch bekam sie jedenfalls nie. Die Wohnung war denn auch deprimierend. Blitzsauber und akkurat aufgeräumt zwar, aber nur spärlich möbliert. Nirgendwo gab es einen Hinweis auf die Persönlichkeit von Rita Cramer, private Fotos waren Fehlanzeige, und an den Wänden hingen Bilder, wie man sie für ein paar Euro in Baumärkten kaufen kann. Bodenstein und Pia gingen durch die Wohnung, öffneten Schranktüren und Schubladen in der Hoffnung, einen Hinweis auf Angehörige oder einen Grund für den Überfall zu finden. Nichts.
    »So anonym wie ein Hotelzimmer«, stellte Bodenstein fest. »Das gibt's doch gar nicht.«
    Pia betrat die Küche. Ihr Blick fiel auf den blinkenden Anrufbeantworter. Sie drückte die Wiedergabetaste. Leider hatte der Anrufer nichts aufs Band gesprochen, sondern aufgelegt, aber Pia notierte sich die Nummer, die im Display des Telefons aufleuchtete. Eine Königsteiner Vorwahl. Sie holte ihr Handy hervor und tippte die Nummer ein. Nach dem dritten Läuten sprang auf der anderen Seite auch nur ein Anrufbeantworter an.
    »Eine Arztpraxis«, sagte sie. »Da ist jetzt niemand mehr.«
    »Ist sonst noch ein Anruf gespeichert?«, fragte Bodenstein. Pia drückte auf den Tasten herum, dann schüttelte sie den Kopf.
    »Schon eigenartig, dass ein Mensch so leben kann.« Sie stellte das Telefon zurück und sah den Küchenkalender durch, der seit Mai nicht mehr umgeblättert worden war. Es gab keinen einzigen Eintrag. Am Pinnbrett aus Kork hingen lediglich der Prospekt eines Pizzaservice und die vergilbte blaue Kopie eines Strafzettels für Falschparken vom April. Das alles sah nicht nach einem erfüllten, glücklichen Leben aus.
    »Wir rufen morgen bei dieser Arztpraxis an«, entschied Bodenstein. »Heute richten wir nichts mehr aus. Ich fahre noch mal im Krankenhaus vorbei und erkundige mich nach Frau Cramers Zustand.«
    Sie verließen die Wohnung und gaben den Schlüssel der Nachbarin zurück.
    »Könntest du mich bei Christoph rauslassen, bevor du ins Krankenhaus fährst?«, fragte Pia, als sie mit dem Aufzug wieder nach unten fuhren. »Liegt ja auf dem Weg.«
    »Ach ja, die Party.«
    »Woher weißt du das denn schon wieder?« Pia drückte schwungvoll die Glastür auf und hätte sie fast einem Mann in den Rücken gerammt, der vorgebeugt die Klingelschildchen studierte.
    »Entschuldigung«, sagte sie. »Ich hab Sie gar nicht gesehen.«
    Pia erhaschte einen flüchtigen Blick auf sein Gesicht und lächelte zerknirscht.
    »Nichts passiert«, antwortete der

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