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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Theater.
    »Zwanzig Uhr, danke. Möchten Sie einen Aperitif?«
    »Gern.«
    Quietschen von Rädern. Und wieder ein Teewagen, diesmal einer aus Teakholz, voll gestellt mit Flaschen und Flakons.
    »Ich hätte gern einen Cognac«, sagte Chib, an Aicha gewandt, die ihm ein großzügige Dosis Delamain einschenkte.
    »Und ich einen Suze«, sagte Blanche.
    »Hm, der Doktor hat aber gesagt .«
    »Einen Suze, danke.«
    Sicher durfte sie keinen Alkohol trinken. Und wenn sie hier auf diesem verflixten Mosaikboden zusammenbrechen würde? Er würde ihr die Bluse öffnen müssen, damit sie Luft bekam, sie ohrfeigen müssen … Er nahm einen kräftigen Schluck. Gut! Angenehmes Brennen der Speiseröhre, angenehme Wärme im Magen. Blanche nippte an ihrem Suze, hustete und leerte ihr Glas dann in einem Zug. Das fing ja gut an.
    Aicha war verschwunden, wahrscheinlich in den Tiefen des Anrichtezimmers. Blanche griff nach der Suze-Flasche, füllte ihr Glas erneut, einfach so, ganz natürlich, mit einer vagen, an Chib gerichteten Geste, einer Geste, die besagte: »Bedienen Sie sich nach Belieben.«
    Er nickte, schenkte sich noch etwas von dem Delamain nach, um ihr Gesellschaft zu leisten.
    Sie kippte ihren zweiten Suze runter, den Blick ins Leere gerichtet, eine Hand um die Armlehne des Sessels geklammert. Musste er etwas sagen oder tun? Außer an seinem exzellenten Cognac zu nippen.
    Ruhe. Draußen wurde es später Nachmittag. Ein grün-gelber Schmetterling an der Scheibe. Seine Flügel schlugen zart an das Glas. Das Geräusch der Eiswürfel, die in dem silbernen Kübel schmolzen. Ein Seufzer. Er schwenkte den Cognac in seinem Glas, er roch daran, trank noch ein wenig. Ein zweiter Seufzer. Dann: »Haben Sie Kinder?«
    Jetzt kommt das Verhör.
    »Nein. Ich bin Junggeselle.«
    »Wünschen Sie sich keine?«
    »Nein, eigentlich nicht. Ich glaube nicht, dass ich ein guter Vater wäre«, fügte er spontan hinzu.
    »Warum?«
    »Ich habe den meinen nicht gekannt. Ich weiß nicht, was ein guter Vater zu tun hat.«
    Sie stellte ihr Glas ab.
    »Und ich weiß nicht, wie man es macht, eine gute Mutter zu sein«, erwiderte sie, die Augen gesenkt. »Nein, ich weiß es wirklich nicht, denn eine gute Mutter lässt ihre Kinder nicht sterben, nicht wahr?«
    Warum hatte er diesen Blödsinn gesagt? Warum?!
    »Was passiert ist, war nicht Ihre Schuld.« »Ach, was wissen Sie schon?«
    Gute Frage. Aber .
    »Niemand ist für einen solchen Unfall verantwortlich, es sei denn das Schicksal, die unglücklichen Umstände …«
    »Ich hätte es ahnen . hätte aufpassen . auf der Hut sein müssen. Eine gute Mutter ist wie ein Matrose im Ausguck, sie darf niemals ein Auge zutun, verstehen Sie?«
    Als könnte man über das Schicksal wachen! Der Cognac stieg ihm in den Kopf, er wäre gerne gegangen. Er beugte sich zu ihr hinüber.
    »Sie sind nicht für den Lauf der Welt verantwortlich, Sie können nicht ewig Schuldgefühle haben.«
    Sie zuckte die Schultern.
    »Nein, ich weiß, ich sollte die Blumen betrachten, dem Zwitschern der Vögel lauschen, mich freuen, dass ich noch vier hübsche Kinder habe. Glücklich sein über meine Ehe, meinen Lebensstandard, ein passables Aussehen, nicht wahr?«
    »Denken Sie nie an etwas anderes als an sich selbst? Ihr Mann muss schließlich auch sehr leiden . Ihre Kinder .«
    »Wie können Sie es wagen!«
    Sie war zitternd aufgestanden.
    Er erhob sich jetzt auch.
    »Sie sprechen mit mir. Ich antworte Ihnen. Aber Sie kaufen sich wohl besser ein Tonbandgerät, dann können Sie sich in Stereo zu Grunde richten.«
    »In einer halben Stunde wird serviert.«
    »Monsieur Moreno kann nicht bleiben.«
    »Ach? Na gut, ich gebe Colette Bescheid.«
    Aicha ging, sichtbar verblüfft. Er stellte sein Glas auf dem Teewagen ab. Umso besser, er war froh, nicht mit dieser Halbverrückten essen zu müssen.
    »Sie sind wirklich sehr empfindlich«, sagte er plötzlich. »Aber in dem Gefühl der Verantwortung für das Schicksal anderer zu schwelgen bedeutet, sich in der Sünde des Hochmuts zu sonnen.«
    »Na, wunderbar! Ich schlage vor, Sie tun sich mit meinem Cousin zusammen, er wäre begeistert.«
    »Es tut mir Leid, Sie gekränkt zu haben.«
    »Und warum? Was kann Ihnen das schon anhaben. Sie kehren in ihre Leichenhalle zurück, oder wie man das nennt, schauen sich einen guten Film im Fernsehen an und denken: >Gott sei Dank, dieser Hysterikerin bin ich entkommen.««
    War sie ein Medium oder was? Aber er hatte keine Lust, sie zu verhöhnen. Er hatte Lust, sie

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