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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Picknick mit Elilou.«
    Ein Albtraum. Er war hellwach in den Albtraum eines anderen gefallen. Die pochende Vene an ihrem Hals. Die zitternden Lippen. Verdammt noch mal, man kann sie doch nicht so lassen!
    Er stand unvermittelt auf, und Eunice wich zur Seite.
    »Kann ich . soll ich Aicha rufen?«, flüsterte er, tief über sie gebeugt, eine Hand auf die Lehne des Sessels gelegt, an ihre vor Kummer zitternde Schulter.
    »Nein, es geht schon, danke.«
    Er richtete sich auf und nahm wieder Platz, nicht ohne den eisigen, auf ihn gerichteten Blick von Charles wahrzunehmen. Der Junge blinzelte und gab vor, sich erneut in sein Gekritzel zu vertiefen. Louis-Marie war verschwunden. Annabelle klebte noch immer an ihrem Gameboy, voll auf dem Elektronik-Trip.
    »Böse!«, rief Eunice und schlug den Kopf des Hasen mehrmals auf den Boden. »Böse, böse, böse!«
    Und wenn wir noch etwas Tee nehmen würden, was meinst du, Chib? Er schenkte sich nach, ohne Blanche anzusehen. Sie hatte sich wieder gefasst, das Taschentuch in der Hand zerdrückt, an der ein schlichter, schmaler goldener Ehering schimmerte. Wie spät mochte es sein? Er wagte kaum, auf seine Armbanduhr zu schauen. Ein kurzer diskreter Blick. 18 Uhr 22. Und Andrieu würde erst um neun aufkreuzen. O nein! Er konnte doch nicht so lange hier ausharren bei den neurotischen Kindern und der völlig gebrochenen Mutter. Er machte Anstalten, sich zu erheben.
    »Als Leon von uns gegangen ist, wollte ich mir das Leben nehmen.«
    Er sank in seinen Sessel zurück. Sie hatte den Satz gesagt, ohne ihm den Kopf zuzuwenden, als hätte sie ihn an den Farn in dem Topf gerichtet. Musste er etwas dazu sagen? War ihr seine Gegenwart überhaupt noch bewusst?
    »Aber man hat nicht das Recht, sich auszulöschen, nicht, wenn man Kinder hat. Das Leid ist Teil des Lebens, nicht wahr?«
    Ganz im Ton von: »Möchten Sie noch ein Stück Kuchen, mein Bester?«
    Da der Farn nicht antwortete, murmelte Chib ein ziemlich erbärmliches »Ja, leider.«
    »Belle-Mamie ist da!«
    Er zuckte zusammen. Charles war lautlos an ihren Tisch getreten.
    »Wie bitte, Charles?«
    »Belle-Mamie ist da.«
    »Ach, ja! Seid ihr fertig? Sie verbringen den Abend und die Nacht bei meiner Schwiegermutter«, fügte sie, an Chib gewandt, hinzu.
    »Blanche, Liebes!«
    Eine hoch gewachsene, kantige Dame trat ein - kurzes graues, gut geschnittenes Haar, cremefarbene Seidenbluse über passender Hose, breiter Ledergürtel, Halstuch und Armreifen von Hermes, das Ebenbild ihres Sohnes, nur dreißig Jahre älter, kaum Make-up, ein schlichter Ehering, zwei weiße Diamanten in den Ohren.
    Sie blieb vor ihnen stehen, nahm Eunice in die Arme.
    »Na, mein Herzchen, wie geht's?«
    »Ich nehme Bunny mit; e' will die Kassette mit den hunderteins Dalmatine'n sehen«, gab die Kleine zurück und schüttelte ihren Plüschhasen.
    »Nun, aber ich weiß nicht, ob er das darf, wir werden sehen. Jetzt lauf schnell und hol deine Sachen.«
    Eunice verschwand, ihre Geschwister waren schon gegangen. Die Frau wandte Chib ihr faltiges nobles Gesicht zu.
    »Leonard Moreno«, erklärte Blanche rasch. »Er ist es, der .«
    Noch ein unvollendeter Satz, diese Leute schienen mit Auslassungspunkten zu kommunizieren.
    »Ah?! Tut mir Leid, Ihre Bekanntschaft unter diesen Umständen zu machen, Monsieur Moreno, aber Jean-Hugues hat mir versichert, dass Sie vollkommen .«
    Chib nickte.
    Blanche hatte sich erhoben.
    »Entschuldigen Sie mich, Belle-Mamie, ich muss nachsehen, ob die Kinder fertig sind.«
    Belle-Mamie sah ihr wortlos nach, dann durchbohrte sie Chib mit ihren blassblauen Augen.
    »Ich weiß, ich bin ein bisschen altmodisch, wie mein Sohn mir oft vorwirft«, seufzte sie, »aber, offen gestanden, war ich nicht dafür . Ich finde das ziemlich . wie soll ich sagen . sehen Sie .« »Bei diesem Thema sind die Meinungen sehr …«, versicherte Chib, der sich an den Gebrauch dieser Kommunikationsform zu gewöhnen begann.
    »Aber gut, sie haben darauf bestanden, sie liebten dieses Kind so sehr, und die arme Blanche … zweimal von einem so grausamen Schicksalsschlag getroffen …«
    Chib seufzte ebenfalls, die Hände gefaltet, die Augen gesenkt, der perfekte Zuhörer.
    Belle-Mamie tupfte diskret mit dem Rücken der manikürten Hand über die Augen, seufzte erneut, erblickte dann ihre Enkeltochter.
    »Annabelle, mein Mäuschen! Komm, gib mir einen Kuss!«
    »Louis-Marie schimpft die ganze Zeit, weil er seinen blauen Trainings-Dingsbums nicht findet«, posaunte die Kleine

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