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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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in die Arme zu nehmen und zu trösten. Und auch, sie zu ohrfeigen. Zu viele Gelüste gleichzeitig. Diese Frau bringt dich aus der Fassung, Chib.
    »Ich glaube nicht, dass Sie hysterisch sind. Ich glaube, Sie sind sehr traurig und brauchen Hilfe.«
    »Ich habe bereits einen Ehemann, einen Arzt und einen Priester, brauche ich jetzt auch noch einen Therapeuten? Oder einen Hund?«
    Einen Liebhaber.
    »Ich weiß nicht, was Sie tun müssen, ich habe Ihnen keinen Rat zu geben, aber Sie sind dabei unterzugehen.«
    »Werfen Sie mir einen Rettungsring zu, einen tröstenden Satz, diese stereotypen Redewendungen, wissen Sie, die man bei Beerdigungen von sich gibt.«
    »Ich .«
    Er holte tief Luft, trat näher, einen Schritt, nur einen Schritt.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Sie kam näher. Einen Schritt. Nur einen Schritt.
    »Nein, ich glaube nicht. Aber ich danke Ihnen.« »Ah, Moreno, Sie sind noch da!«
    Er hätte vor Schreck fast einen Herzinfarkt bekommen!
    »Ich hatte Glück und hab noch die Maschine um siebzehn Uhr fünfzehn erwischt«, sagte Andrieu und streckte ihm die Hand entgegen. »Ach, ich glaube, ich könnte auch eine kleine Stärkung gebrauchen. Wollten Sie gehen?«, fügte er hinzu und schenkte sich einen Schluck Glenmorangie ein.
    »Ja, ich wollte mich gerade verabschieden.«
    »Ist alles . gut verlaufen?«
    Blanche wandte das Gesicht ab.
    »Kein Problem. Sie … sie ist in der Kapelle. Wenn Sie sie sehen wollen .«
    »Gut.«
    Er leerte sein Glas in einem Zug.
    Draußen war es kalt, eine beißende Kälte. In der Kapelle betätigte Andrieu einen Schalter, und eine Sechzig-Watt-Birne verbreitete gelbliches Licht. Chib ging zum Sarg, hob den Deckel und trat zurück, um Andrieu Platz zu machen. Der hüstelte, beugte sich mit angespannten Zügen vor und zog sich nach einem kurzen Blick wieder zurück.
    »Sehr gut, sehr gut. Sie müsste nun in den Schrein gelegt werden.«
    »Wenn Sie wollen, könnte ich es gleich machen«, schlug Chib vor.
    »Na schön, na schön«, sagte Andrieu mit dumpfer, zitternder Stimme.
    Chib stellte den Sarg am Boden ab, trat an den Schrein und zog das Laken herunter. Als wäre er plötzlich aufgewacht, trat Andrieu hinzu und half ihm, den zerbrechlichen Glasdeckel anzuheben und ihn auf dem Gerüst festzuklemmen.
    »Danke«, sagte Chib, »jetzt komme ich allein zurecht. Ich bin in zehn Minuten bei Ihnen.«
    Andrieu wollte protestieren, besann sich aber und verließ die Kapelle.
    Chib ging zu dem Holzsarg, schob die Arme unter Elilous Körper und trug sie zu ihrer neuen Behausung. Die Toten scheinen manchmal so schwer, dachte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Während er automatisch die Erklärung der Unschuld murmelte: »Ich habe nicht gelogen, ich habe nicht betrogen, ich habe nicht verletzt, ich habe nicht getötet . ich bin rein, ich bin rein, ich bin rein . «, machte er sie noch ein wenig zurecht, glättete ihr Kleid, ordnete ihr Haar, strich über die Lider und die mit Klebstoff versiegelten Lippen. Dann schloss er langsam den Deckel des durchsichtigen Grabs, schaltete das Licht aus und kehrte in den Wintergarten zurück.
    »Wir haben übermorgen um siebzehn Uhr eine Zeremonie vorgesehen. Ich würde mich sehr geehrt fühlen, wenn Sie kommen könnten«, sagte Andrieu, kaum dass er eingetreten war.
    Oh, nein!
    »Ich möchte nicht . Sie sind im Familienkreis .«
    »Es sollen möglichst viele Menschen kommen, ich möchte, dass alle da sind, um Abschied zu nehmen von meiner Tochter!«
    Raus hier, Chib, schnell raus hier, steig in deinen Wagen und dröhn dich mit Techno zu, damit dein Kopf frei wird.
    Schnell verabschiedet, Monsieur Andrieu die Hand geschüttelt, Madame Andrieu zugenickt, zur Tür gegangen, ihren Blick auf den schmalen Schultern gespürt.
    Aicha hielt ihn unterwegs auf.
    »Warum bleiben Sie nicht?«
    »Ich glaube, sie möchten allein sein.«
    »Hm. Greg hat mich angerufen. Er sagt, Sie würden morgen mit dem Boot rausfahren.« »Ach, ja, ähm, gewiss, wenn das Wetter schön ist. Hat er Sie eingeladen?«
    »Ja, morgen ist mein freier Tag. Soll ich eine Windjacke oder so was mitnehmen?«
    »Nein, davon gibt es genug an Bord. Nur einen Pulli zum Wechseln, falls Sie ins Wasser fallen.«
    »Sehr lustig. Ist es gefährlich auf dem Boot?«
    »Es kann schaukeln. Nein, es ist ungefährlich. Hat er Ihnen gesagt, was auf dem Programm steht?«
    »Er sprach von einem Picknick auf den Inseln. Und dass ich eine Freundin mitbringen könnte.«
    »Und?«
    »Mal sehen. Gefällt

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