Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
weitermacht, klebe ich die Elektroden des EKG s auf und schließe den Sauerstoff an den Beatmungsbeutel an.
»So was habe ich auch noch nicht erlebt«, zischt mir Fabian zu. »Was ist jetzt mit dem Brand?«
»Ich hab nichts mitbekommen«, sage ich. »Aber unser Notarzt dort ist wohl beschäftigt, der kann nicht weg, es wird dauern, bis wir einen Arzt herbekommen.« Dann fordere ich Fabian auf, einen Moment Pause mit der Herzdruckmassage zu machen und lasse das EKG analysieren.
»Kein Schock empfohlen«, zeigt das Display an.
»Weiter«, sage ich zu Fabian, und er setzt auch schon die Herzdruckmassage fort.
Immer noch redet der Passant auf uns ein. Ein junges Paar steht auf der gegenüberliegenden Straßenseite und schaut unserer Reanimation zu. Der junge Typ hat die Frau eng an sich gezogen.
»Gaffer …«, keucht Fabian.
Ein paar Querstraßen weiter hinten erkennt man den Widerschein des Feuers auf den Wänden der Eckhäuser, ein Polizeiauto sperrt eine der Zufahrtsstraßen ab.
Nur etwa fünfzig Meter weiter brennt es, das wäre unser Einsatz gewesen, aber nun stehen wir hier und reanimieren einen Mann, der zufällig, kurz bevor wir hier vorbeikamen, umgefallen ist: Das ist völlig abstrus.
Wie der immer heller werdende Widerschein des Feuers, dessen Flammen wir nicht sehen. Gespenstisch.
»Boah, den Rauch riecht man bis hierher …« Die Herzdruckmassage lässt Fabians Atem kürzer werden.
Plötzlich steht der junge Passant neben uns: »Ich kenne den!«, sagt er.
Ich schaue fragend auf.
»Ja. Der war da, wo ich bis vor einem halben Jahr gewohnt habe, Hausmeister. Ein total netter Kerl«, redet er einfach los.
»Wie heißt er denn?«, frage ich, als es gerade mal passt.
»Wagenfeld«, sagt er, »Heinz Wagenfeld.«
Den Namen zu kennen hilft uns später vielleicht weiter.
»Weg noch einmal!«, fordere ich Fabian auf.
Diesmal ist ein Schock empfohlen.
»Weg vom Patienten!«, rufe ich und achte darauf, dass auch die Umstehenden ausreichend Abstand halten.
Dann defibrilliere ich: Der leblose Körper vor mir bäumt sich ruckartig auf, ich schaue kurz zur Seite, nehme es mehr aus dem Augenwinkel wahr. Ich finde das abstoßend und schaffe es nie, den Patienten dabei anzusehen, wenn diese fahlblauen Körper von der elektrische Energie durchdrungen vor mir nach oben zucken.
Dann blicke ich auf den Monitor: Für einen Moment lang sieht man zwei, drei Pulsschläge in unregelmäßiger Folge, aber dann verschwinden diese Signale auch schon wieder.
Fabian nickt mir zu, und ich übernehme jetzt wieder die Herzdruckmassage.
Etwas seltener als in den Minuten davor hört man noch Martinshörner durch die Straßen hallen. Es sind jetzt sicher mehr oder weniger alle benötigten Einsatzkräfte beim Brand. Während der Unterbrechungen, die Fabian beim Beatmen machen muss, weil ich mit der Herzdruckmassage dran bin, versucht er dem Patienten einen Zugang zu legen. Beim zweiten Mal scheint er Glück zu haben: Während ich weiter mit der Herzdruckmassage beschäftigt bin, sehe ich, wie sich die dünne Kunststoffkanüle beim Zurückziehen der Stahlnadel mit dunkelrotem Blut füllt, bis es heraustropft.
Fabian setzt einen kleinen Moment länger mit dem Beatmen aus und schließt flink eine vorbereitete Infusion an. »Halten Sie das bitte!«, sagte er zu dem jungen Mann und hält ihm die Infusion hin.
»Ich?«, fragt der junge Mann nervös, hält sie dann aber ruhig in der Hand. Sie läuft.
Fabian hat bereits wieder den Beatmungsbeutel gegriffen und geht zurück ans Kopfende des Patienten. Von irgendwoher hören wir ein Martinshorn, das lauter wird. Hoffentlich für uns , denke ich. Fabian spricht es aus: »Jetzt könnte langsam mal unser Doc kommen.«
Aber dann werden die Sirenentöne leiser, und kurz darauf hört man das Horn nicht mehr. Mist!
Trotz der Bodenkälte ist mir von der Reanimation warm geworden. »Jetzt analysieren wir noch mal, und dann löse mich noch mal ab«, sage ich.
Wir setzen ab, beobachten den Monitor. »Kein Schock empfohlen« steht da nun schon wieder.
»Ich trau dem Ding nicht. Ich glaube nicht, dass diese Analyse stimmt«, sagt Fabian.
Wir schauen uns an, aber dann machen wir weiter mit Beatmen und Massieren. Entgegen der automatischen Analyse zu defibrillieren ist für uns tabu – diese Entscheidung darf nur der Arzt treffen. Aber der kommt und kommt nicht.
Als ich mich umsehe, merke ich, dass inzwischen noch mehr Leute um uns herumstehen.
»Willst du noch mal nachhaken, wo der
Weitere Kostenlose Bücher