Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
wie gedruckt. Die ganze Zeit …!«, ruft er dann doch noch hinterher, als wir den Raum verlassen – das kann er sich nicht verkneifen.
»Gut, dass Sie gleich hierhergekommen sind«, sagt der Doktor zu der jungen Frau. Und abgeschirmt von den Nachbarn beginnt sie auch sofort zu erzählen: »Der hat bei mir in der Firma gearbeitet. Ich habe doch nur versucht, mich ein wenig um ihn zu kümmern.«
»Na ja«, sagt Dr. Weiss und schenkt der jungen Frau ein Lächeln, »das ist ja wohl normal, wenn man zusammen ist, dass man sich ›ein wenig‹ kümmert.«
»Hä? Aber ich bin mit dem doch nicht zusammen. Ich wollte ihm nur helfen. Und seit gestern terrorisiert er mich per Telefon, weil ich seit kurzem einen Freund habe.«
Sie macht trotz der Aufregung einen klaren Eindruck auf mich.
»Und warum kümmern Sie sich dann um ihn?«, fragt Dr. Weiss.
»Na, er hat mir eben leidgetan. Mit dem stimmt doch was nicht. Ständig kifft er. Dann hat er seinen Job verloren. Und außerdem der Müll …«
Dr. Weiss schaut die junge Frau einen Moment lang nachdenklich an. »Na ja«, sagt er schließlich, »wenn Sie hier ein- und ausgehen, sieht das schon danach aus, als ob Sie ein gewisses Interesse an ihm haben.«
»Was – was meinen Sie, warum ich nie allein hierhergekommen bin?«, sagt sie jetzt aufgebracht. »Es war immer mein Bruder oder eine Freundin dabei. Und ich wollte den Kontakt doch abbrechen. Aber Andi gibt keine Ruhe. Das war ja dann auch der Grund, weshalb ich heute Abend bei der Polizei angerufen habe.«
Tatsächlich steht vor der Wohnungstür noch eine andere junge Frau.
»Meine Schwester.« Sie deutet aus dem Flurfenster nach draußen.
Dr. Weiss holt tief Luft. »Okay …« Dann fragt er noch einmal nach: »Und was genau hat er heute zu Ihnen gesagt?«
»Das kann ich Ihnen sagen. Er hat von mir verlangt, dass ich mit meinem Freund Schluss mache, andernfalls würde er sich das Leben nehmen.«
»Blieb die Androhung eher allgemein gefasst, oder hat er sich konkreter dazu geäußert, was er vorhat?«
»Er meinte, er würde jetzt auf das Hausdach gehen und sich hinunterstürzen.«
»Aha«, sagt Dr. Weiss, »ich denke, Sie haben uns damit jetzt weitergeholfen. Aber an Ihrer Stelle würde ich diesen Kontakt auch wirklich abbrechen. Sie können Ihrem ehemaligen Kollegen nicht helfen, der braucht professionelle Hilfe.«
»Ja«, sagt die junge Frau, »das hatte ich sowieso vor. Glauben Sie mir, mir reicht es. Das ist doch das Allerletzte … Ich lasse mir nächste Woche eine neue Telefonnummer geben, und das war’s dann.«
In der Wohnung versucht Dr. Weiss, den Patienten dazu zu bewegen, mit uns mitzukommen.
»Jetzt lassen Sie mich endlich in Ruhe«, sagt der junge Mann sichtlich gereizt. »Mir geht es gut.«
»Wenn es Ihnen gut gehen würde, dann wären wir nicht hier.« Dr. Weiss versucht es noch mal auf die sanfte Tour.
»Ich gehe nirgendwohin! Und jetzt verschwinden Sie und all die Leute endlich.«
»Glauben Sie mir, Herr Kerning, ich verhandle nicht die ganze Nacht hier mit Ihnen. Entweder Sie kommen jetzt freiwillig mit uns mit, oder ich lasse Sie hier mithilfe der Polizei herausbringen.«
Das war deutlich.
Der junge Mann steht tatsächlich auf, schiebt noch seinen Geldbeutel in die Hosentasche und geht in Richtung der Wohnungstür.
»Möchten Sie noch irgendetwas einpacken für das Krankenhaus, Herr Kerning?«, frage ich.
»Mir doch scheißegal«, antwortet er mir mit einem verächtlichen Blick.
Fabian fährt hinten im Patientenraum mit. Immer mal wieder sehe ich in den Rückspiegel, um zu kontrollieren, ob sich der Patient ruhig verhält.
Er schaut die ganze Fahrt stur geradeaus und redet kein Wort. Und wahrscheinlich ist es auch besser so: Seine Probleme können wir ohnehin nicht lösen. Und im Moment ist einfach das Wichtigste, dass er unterwegs nicht doch noch versucht, sich etwas anzutun.
»Mann, Mann, Mann …«, sagt Fabian, als wir am Getränkeautomaten vor der Notaufnahme stehen. »So ein Drama mal wieder.«
Einer seiner Lieblingssätze.
Wenn Fabian und ich rauchen würden, würden wir vermutlich nicht an diesem Automaten stehen bleiben, nachdem wir den Kakao gezogen haben. Fabian ist einer der wenigen Nichtraucherkollegen auf der Wache.
»Wie die solche Probleme in der Psychiatrie wohl angehen?«, frage ich mehr mich selbst, als dass ich von Fabian eine Antwort erwarte, und nehme einen Schluck von dem warmen Getränk.
»Der hat doch gar keine Lust darauf, sich behandeln zu lassen
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