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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lehmacher
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der Lücke, und da sehe ich auch den Fahrer. Ich bleibe einen Moment stehen. Irgendwoher kenne ich ihn … Warum kann ich mir Gesichter und Namen nur so schlecht merken? Ich schalte das Radio ein und fahre dann weiter, auf die Warteschlange vor der Parkplatzausfahrt zu. Noch einmal sehe ich das Paar aus dem roten Pkw. Hand in Hand schlendert es auf die Eingangstür des Supermarkts zu. Ob die frisch verliebt sind? Der Mann läuft langsam. Ich bin mir nicht sicher, ob er gehbehindert ist oder nicht. Auf jeden Fall machen sie einen glücklichen Eindruck. – Und als ich nun das Profil des Mannes und seine buschigen Augenbrauen sehe, fällt es mir plötzlich ein: dieser Mann!!! Den kenne ich wirklich – das … das ist der Patient, der letztes Jahr im Oktober mit Herzstillstand vor mir lag! Ein Hupen stört meine Gedanken, die Schlange vor mir hat sich aufgelöst, dafür ist jetzt eine hinter mir entstanden. Ich entschuldige mich per Handzeichen nach hinten und fahre durch die Ausfahrt auf die Straße.
    Keine Party am Baggersee … Was soll’s. Auf einmal freue ich mich wie selten auf meinen Dienst am nächsten Tag.

Die letzten Hilferufe
    A ugsburg, Waldallee 27a, unklar, vermutlich ist der Name Schulz. Notfalleinsatz, die Meldung kam über die 110, möglicherweise ist schon eine Streife vor Ort. 9.13 Uhr Einsatzbeginn.«
    Roman und ich haben gerade einem ehemaligen Kollegen von der Augsburger Wache, der auf dem Weg zum Möbelhaus gegenüber kurz mit seinem Enkel vorbeischaut, das neue EKG -Gerät gezeigt. Natürlich wollte der Bub unbedingt auch mal am Steuer sitzen, sodass ich ihn nun schnell aus dem Auto heraushebe und seinem Großvater weiterreiche.
    »Machst du das nächste Mal eine Fahrt mit mir?«, fragt mich der Junge und schaut mich durch seine bunte Kinderbrille an, aber ich bin mit halbem Ohr schon bei Roman, der die Einsatzdaten am Funk wiederholt.
    Sein Opa nimmt mir das Antworten ab, und ich ziehe die Fahrertür schnell hinter mir zu.
    »Waldallee 27a bei Schulz, unklar«, wiederholt Roman ins Funkgerät.
    »Augsburg, Waldallee 27a«, präzisiert der Leitstellendisponent, und Roman wiederholt noch einmal, während wir starten: »Die Waldallee in Augsburg.«
    Um zügig auf die Straße abbiegen zu können, muss ich das Blaulicht einschalten. Der verkaufsoffene Sonntag in Friedberg lockt anscheinend jede Menge Kauflustige an. Während ich uns einen Weg in der Mitte zwischen dem mal fahrenden, mal stehenden Verkehr bahne, klappt Roman die Straßenkarte auf.
    »Die Waldallee kenne ich, da war ich erst vor ein paar Wochen«, sage ich.
    »Die ist ja ganz drüben auf der anderen Seite von Augsburg«, wundert er sich. »Was hattet ihr denn da?«
    »Nein, ich war da nicht im Dienst, wir haben da in einem Musikgeschäft einen Notenständer für meine Tochter gekauft.«
    Roman hält die Augen hinter der Brille mit den kleinen runden Gläsern auf die Karte gerichtet. Er sieht fast ein wenig wie John Lennon in seiner Bed-and-Peace -Zeit aus, nur die Haare müssten länger sein.
    »Unklar«, brummt er. »Meldung kam über die 110 …«
    Seine Worte gehen im Dröhnen des Martinshorns unter, das ich jetzt einschalte. Aber ich weiß auch so, was er sagen will: Eine »unklare« Meldung lässt alles offen. Man weiß nicht, welches Krankheits- oder Verletzungsmuster bei dem Patienten vorliegt. Ob es sich um einen Erwachsenen oder ein Kind handelt oder gar um mehrere Patienten. Man kann nicht mal abschätzen, wie eilig es. Falls sich das Ganze auf irgendeine Weise selbst erledigt hat, bis wir vor Ort sind, weil etwa gar nichts Ernstes vorlag, hat man sich den Stress umsonst gemacht. Aber man weiß es eben nicht vorher.
    Als wir auf Höhe der Hausnummer 10 in die Waldallee einfahren, ist noch nirgendwo ein Polizeiauto zu sehen, aber als wir dann vor der 27 stoppen, erkenne ich im Seitenspiegel, wie sich ein Streifenwagen nähert.
    Roman und ich lassen unser Blicke mehrmals an der Häuserfront entlangschweifen. Das Gebäude mit der Nummer 27 ist ein Haus mit einer Apotheke im Erdgeschoss und drei Stockwerken mit Wohnungen obendrüber. Daneben liegen die Häuser mit den Nummern 29, 31 und auf der anderen Seite die 25. Eine 27a ist nicht zu sehen.
    »Ich schau auf dem Klingelschild von der 27«, sagt Roman und steigt aus.
    Aber als die beiden Polizeibeamten, ein Mann und eine Frau, ebenfalls auf den Eingang der 27 zulaufen, winkt Roman schon ab.
    »Leitstelle von 33/37«, melde ich mich. »Hier gibt es keine Hausnummer

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