Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
ich schon zehn Schichten mitgefahren. Macht echt Spaß, es ist alles so interessant, und die meisten Leute bei euch im Rettungsdienst sind richtig okay.«
»Ja, die meisten sind nett«, sag ich.
Ich erfahre noch, dass sie gerade eine Ausbildung zum Rettungsdiensthelfer macht. Und jetzt ist auch klar, weshalb sie sich mit dem Notfallkoffer so gut auskannte und das Adrenalin so schnell parat hatte.
Es dauert noch eine ganze Weile, bis Fabian endlich aus der Klinik kommt und sich zu uns stellt.
»Die Ehefrau unseres Patienten saß gerade mit ihrem Sohn weinend auf dem Gang. Ich hab mich noch um sie gekümmert«, erklärt er. »Jetzt redet Dr. Bachmann mit ihr.«
Mir geht durch den Kopf, wie oft Patienten nach einer gelungenen Reanimation kurz danach in der Klinik dann doch versterben.
»Wie alt der wohl war?«, überlege ich laut, erwarte aber nicht wirklich eine Antwort, denn es ist schwer abzuschätzen, wie alt jemand ist, dessen Kreislauf zusammengebrochen ist.
»Achtundvierzig Jahre alt, hat die Frau gesagt«, kommt dann doch eine Antwort von Fabian.
Und jetzt erscheint auch Dr. Bachmann, er strahlt uns an.
»Wie geht’s denn unserem Patienten?«, möchte ich wissen.
»Gut.« Ein breites, zufriedenes Grinsen liegt auf seinem Gesicht. »Sehr gut!« Und dann fügt er hinzu: »Wenn ihr hier noch einen Moment wartet, läuft er vielleicht an euch vorbei und geht nach Hause.« Er lacht.
Ich kann sein Lachen nicht richtig einschätzen und schaue ihn fragend an. »Ist das ironisch gemeint?«
»Nein, nein, im Moment ist er kreislaufstabil. Und soweit man es jetzt schon sagen kann, sieht es auch neurologisch sehr gut aus. Der hat schon mehr oder weniger gezielt nach dem Tubus gegriffen und wollte ihn rausziehen, wir mussten ihn jetzt künstlich ins Koma versetzen, um ihn in Ruhe weiterbehandeln zu können.«
»Ach was …«, sagt Fabian fast ungläubig.
»Ihr müsst wirklich richtig, richtig fix gewesen sein. Wie lief das denn ab?« Dr. Bachmann schaut abwechselnd zu Fabian und zu mir.
Wir erzählen ihm, dass der Patient wohl nur Sekunden vor unserem zufälligen Eintreffen umgefallen sein muss.
»Ach dann … Jedenfalls hat der richtig gute Karten.«
Dann grinst er wieder. »Ihr seid schneller als der Tod erlaubt.«
Jetzt lachen wir alle erleichtert.
Ja, wir hatten wohl Glück: Solche unglaublichen Zufälle gibt es nicht häufig.
Später am Funk bekommen wir mit, dass bei dem Brand keine Personen eingeschlossen waren. Offenbar wurden zwei Patienten vor Ort behandelt, die dann weitertransportiert wurden. »Zweimal Rauchgasvergiftung ins Klinikum nach Augsburg, einmal leicht, einmal mittel«, hören wir einen Kollegen funken. Dann verbessert er: »Zweimal leicht, sagt der Notarzt. Der Einsatzleiter und ein RTW bleiben noch vor Ort zur Absicherung.«
Der Brand ist anscheinend noch nicht sicher gelöscht.
»Und?«, frage ich Fabian. Er schreibt das Protokoll zu Ende, auf seinem Schreibbrett ist auch noch der Zettel mit der Autonummer des Lieferwagens, der uns so in den Weg gezogen war. »Willst du jetzt noch zur PI Friedberg?« PI – Die Polizeiinspektion läge nicht direkt auf dem Weg.
»Ach …«, sagt er nur abfällig, zerknüllt den Zettel und schiebt ihn sich in die Jackentasche.
***
Es ist ein strahlender Samstag, Ende Juli 1992. Das schönste Badewetter, aber ich sitze zu Hause und gestalte eine Werbebroschüre. Es kommt immer mal wieder vor, dass ich Arbeit aus dem Büro noch mit ins Wochenende nehmen muss. Und morgen habe ich Dienst auf der Wache. Es ärgert mich jetzt, dass ich absagen muss, als ein Freund zu einer sonntäglichen Grillparty am Baggersee einlädt. »Selbst schuld«, sagt er mir noch am Telefon.
Diese ganzen Dienste. Die vielen blinden Alarme zwischendrin. Was aus den Patienten dann wird, erfährt man nicht. Reanimationen an Patienten, von denen man dann irgendwann höchstens die Todesanzeige liest.
»Was möchtest du heute Abend essen?«, fragt mich Renate.
»Vielleicht legen wir ein Stück Fleisch und etwas Gemüse auf den Grill?«
Sie nickt. »Aber dann brauche ich noch Grillkohle und eben das Fleisch«, sagt sie. »Und die Metzgerei hat schon zu, kannst du vielleicht zum Supermarkt fahren?«
Das mache ich postwendend. Wenn schon keine Grillparty am Sonntag, dann wenigstens ein Grillabend am Samstag.
Als ich aus dem Supermarkt komme und ins Auto steige, parkt ein roter Kleinwagen neben mir ein. Eine Frau mittleren Alters steigt auf der Beifahrerseite aus. Ich fahre aus
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