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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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Leibeigenen in einem Schloss zu leben. Die Russen, die unlängst jeder Illusion über den Sinn einer organisierten Gesellschaft beraubt worden waren, wünschten sich vielleicht das Gleiche, waren aber bereit, dafür zu schuften.
    Man konnte sehen, worauf es hinauslief. Die Russen würden die Neue Benzinsteuermasche letztlich genauso an sich reißen wie Coney Island, einen weiteren strittigen Besitz. Die Frage war nur, wann, wie reibungslos und wie viel für die Sizilianer dabei heraussprang.
    Am besten bald, erkannten die Sizilianer, die sich einen klaren Blick bewahrt hatten, denn ein ausgehandelter Rückzug, solange die Macht der Müllära noch nachhielt, war einer Vertreibung vorzuziehen.
    Sizilianern, die das nicht einsahen, fiel der Abschied jedoch schwerer, und sie machten Probleme. Und auch die Russen hatten ihre Unruhestifter. So gab es, während der Verkauf des organisierten Verbrechens in New York zum Abschluss gebracht wurde, immer wieder Ecken und Kanten zu glätten.
    Das Kantenglätten war David Locanos Aufgabe.
    Ich beendete mein erstes Highschooljahr in der Erwartung, wegen des Mordes an den Virzi-Brüdern verhaftet zu werden. Das war mit ein Grund, weshalb ich mich entschloss, nicht aufs College zu gehen, obwohl mich in erster Linie Faulheit davon abhielt. Wie ich es sah, war ich zu alt und zu welterfahren, um in einem Schlafsaal herumzusitzen und Faulkner zu lesen, während irgendein Blödmann auf der Gitarre klimperte. Und ich wusste zwar, dass sich meine Großeltern über meine Einstellung zur Schule empört hätten, aber mir war eben auch immer bewusst, dass sie sich über nichts mehr aufregen konnten.
    Ich nahm eine ganz kurze Auszeit von den Locanos. Zum Beispiel fuhr ich nicht mit ihnen nach Aruba, obwohl ich gern mitwollte, und wohnte währenddessen im Haus meiner Großeltern. Und ich unternahm noch andere halbherzige Versuche, meinen weiteren Aufenthalt bei ihnen zu hinterfragen und zu rechtfertigen.
    So fragte ich Skinflick einmal, als wir high waren, ob er vorhabe, selbst der Mafia beizutreten. Wir waren auf dem Weg zum Jack-in-the-Box, da Skinflick und ich sehr anfällig für den potinduzierten Heißhunger waren.*
( Erweitere das Bewusstsein, und der Körper zieht nach, könnte man sagen, aber irgendwie nahm ich dabei nie zu, und Skinflick war sowieso schon dick.)
    »Ganz ausgeschlossen, Mann«, sagte er. »Und selbst wenn ich wollte, mein Vater würde mich umbringen.«
    »Ha«, sagte ich. »Wen hat denn übrigens dein Vater umgebracht, um in die Mafia zu kommen?«
    »Keinen. Sie haben's ihm erlassen, weil er Anwalt ist.«
    »Das kaufst du ihm ab?«
    Er stieß auf. »Sicher. Der lügt mich nicht an.«
    Skinflick schien tatsächlich eine unerhört gute Beziehung zu seinem Vater zu haben, obwohl angeblich das einzige Buch, das er jemals von vorn bis hinten gelesen hatte, James Frazers
Der goldene Zweig
war. Abgesehen davon, dass es seltsam ist, ausgerechnet diesen Brocken als einziges Buch zu lesen, handelt
Der goldene Zweig
im Wesentlichen vom Vatermord und vom Kampf der Generationen als Ursprung der Zivilisation. Den goldenen Zweig pflücken in einer der von Frazer erörterten primitiven Gesellschaften die jungen Sklaven, wenn sie den König zu einem Zweikampf auf Leben und Tod herausfordern möchten, wobei die Krone dem Sieger zufällt.
    Skinflick bestritt, dass sich darin eine feindselige Haltung gegenüber seinem Vater zeige. Er sei auf den
Goldenen Zweig
nur gekommen, weil Kurtz in
Apocalypse Now
darin liest, sagte er, und er habe es zu Ende gelesen, weil ihn die darin vertretenen Vorstellungen von Freiheit und Modernität angesprochen hätten.
    »Beispielsweise«, meinte er einmal, als wir zufällig gerade mit seinem Vater im Wagen seines Vaters unterwegs waren, »meckern die Leute doch immer, ihr primitiver Kampf- und Fluchtinstinkt würde unterdrückt, und deshalb wären sie deprimiert. Aber ich kann eine
Flinte
abfeuern, während ich den
Freeway
entlangsause. So viel Freiheit hatten die Menschen noch nie.«
    »Du kannst nicht mal im Stehen eine Flinte abfeuern«, sagte sein Vater.

    Meine eigene Beziehung zu David Locano hatte etwas Unwirkliches. Er hatte darauf bestanden, mir für die Tötung der Virzis vierzigtausend Dollar zu geben - »Von mir aus schmeiß sie weg«, hatte er gesagt -, und dann nie mehr ein Wort über die Sache verloren, auch nicht, wenn wir allein waren.
    Einmal jedoch, als ich hinkam und Skinflick gerade in der Videothek und Mrs Locano sonst wo unterwegs war,

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