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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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setzten wir uns an den Küchentisch, und er fragte mich, ob ich einen neuen Auftrag wolle.
    »Nein, danke«, sagte ich. »Ich glaube, so was will ich nicht mehr machen.«
    »So was ist es nicht.«
    »Sondern?«
    »Es geht nur ums Reden.« Ich bremste ihn nicht.
    »Paranoide Russen reden nicht am Telefon«, fuhr er fort. »Du sollst einen Mann in Brighton Beach finden und ihn fragen, was er mir zu sagen hat.«
    »Brighton Beach kenne ich gar nicht«, sagte ich.
    »Kinderspiel«, sagte Locano. »Besonders wenn man sich nicht so dumm anstellt wie ich. Es ist winzig. Du gehst runter zur Ocean Avenue und fragst in einer Bar namens Shamrock, die kennen den Mann. Er ist eine große Nummer.«
    »Ist das gefährlich?«
    »Wahrscheinlich ungefährlicher als die Fahrt dahin.« »Ha-ha«, sagte ich.

    Hier sollte ich einen Moment innehalten und auf etwas zu sprechen kommen, von dem viele Kriminelle besessen sind, nämlich das sogenannte Klarmachen.
    Das Musterbeispiel dafür ist der angehende Zuhälter, der eine Frau sucht, die für ihn arbeiten soll. Eine Professionelle findet er nicht, denn die haben alle schon Zuhälter. Also nimmt er ein Mädchen aus der Nachbarschaft, so behütet und weltfremd wie möglich, und macht ihr den Hof. Mimt die große Liebe, bis er ihr dann eines Tages sagt, dass er böse Schwierigkeiten bekommt, wenn er nicht sofort Geld aufbringt, und dass ein Freund von ihm bereit ist, hundert Dollar für eine Nacht mit ihr zu zahlen. Nachdem sie sich darauf eingelassen hat, tut er angewidert, schlägt sie, erniedrigt sie und gibt ihr Betäubungsmittel gegen die Schmerzen. Ist sie dann angefixt und eingearbeitet, also eben »klargemacht«, wendet er sich Junggesellin Nr. 2 zu. Was für eine reizende Spezies wir sind.
    Heutzutage findet sich das Klarmachen in vielerlei Situationen. Am auffälligsten im Gefängnis, wo man einem Zellengenossen eine Zigarette spendiert, um möglichst schnell dahin zu kommen, dass man ihn an große Häftlingsgruppen vermieten kann, wenn eine AA-Batterie oder ein wenig Stoff hermuss. Meistens läuft das allerdings subtiler und hat mit den tausend Möglichkeiten zu tun, wie Menschen auf die schiefe Bahn geraten oder dahin gebracht werden oder dahin gebracht zu werden glauben.
    Ich wusste das alles. Ich hatte
Daddy Cool
gelesen. Ich wusste, dass David Locano mich klarmachen wollte. Und dass mein Ja zu dem gerade angenommenen Job, auch wenn er ohne Gewalt abging, bedeutete, dass ich bereit war, späterhin Gewalt anzuwenden.
    Ich sah nur geflissentlich darüber hinweg.

    Ich fuhr an einem sonnigen Samstag nach Coney. Steckte eine meiner silbernen .45er mit den hölzernen Griffschalen ungedämpft in die Brusttasche meines Anoraks und fuhr mit dem Nissan meiner Großeltern über die George Washington Bridge nach Manhattan hinein und über die Manhattan Bridge aus Manhattan hinaus. Nahm den Highway durch ganz Brooklyn. Um am Aquarium auf der Mitte der Insel parken zu dürfen, brauchte ich nur den Namen David Locano zu sagen. Sie sahen nicht mal auf einer Liste nach.
    Als Kind war ich im Aquarium gewesen und auch weiter westlich den Boardwalk entlang in dem alten Vergnügungspark. Brighton, auf der Ostseite, war mir verborgen geblieben.
    Es war gerammelt voll. Blonde junge Gangstertypen in so leuchtfarbenen Sportanzügen, dass es einem in die Augen stach, und auf den Bänken alte Leute in Badezeug und Socken, mit Handtüchern über den Schultern, obwohl sie zweihundert Meter vom Wasser weg waren. Dazu hispanische Großfamilien, die für den Sommer, und orthodoxe Juden, die für den Winter angezogen waren. Wohin man auch schaute, schlug jemand ein Kind.
    Der Strand fiel zurück, als ich nach Little Odessa hineinging. Die Gebäude sahen aus wie Kulissen aus einem Mietskasernenfilm. Hochbahnschienen über der Ocean Avenue, und im Schatten darunter uralte Ladenfronten mit den Originalschildern oder aber kyrillisch beschrifteten neuen. Das Shamrock war keine zwei Blocks weit. Es hatte ein unbeleuchtetes Neonkleeblatt als Schild. Ich ging rein.
    Der Tresen aus Zedernholz, der splittrige Fußboden und der Bierkotzegeruch stammten vermutlich aus der Zeit, als das Shamrock noch irisch war, aber die Beleuchtung hätte schlechter sein können, und die quadratischen kleinen Tische hatten Tischtücher aus laminiertem rotem Gingham. Zwei Tische waren besetzt, an dem einen saßen ein Mann und eine Frau, an dem anderen zwei Männer.
    Der Tresen fing neben der Tür an. An der Wand dahinter lehnte eine junge

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