Schneller als der Tod
Erträge hoch hielten, mit den Leibeigenen machen durften, was sie wollten.
Die Aufseher bewohnten die Villen der Gutsherren, wenn die Gutsherren nicht da waren. Während der Türkenherrschaft wurden sie
mayvah
genannt, das hieß »Prahlhanse«. Daraus wurde später das Wort
mafia.
Als zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die ersten Sizilianer in die USA auswanderten, zumeist, um in der Lower East Side von Manhattan Papier aus dem Müll zu fischen, folgte ihnen die Mafia, um ihnen weiterhin das Blut auszusaugen. In der Prohibitionszeit hat der Mob sich vielleicht zum Nutzen der Gesellschaft betätigt, aber danach gingen sie wieder ganz dazu über, Menschen mit Gewaltandrohung zu erpressen. Ein Liebhaber der römischen Geschichte, Sal »Little Caesar« Manzaro, gründete sogar eine Privatarmee, für die er italienisierte römische Rangbezeichnungen wie
capodecini
und
consiglieri
einführte, und das Leben in New York wurde so schlimm, dass endlich die Bundespolizei aufhorchte. Nur die Abfallwirtschaft rettete damals die Mafia.
Aus ungeklärten Gründen, die wahrscheinlich aber damit zu tun haben, dass es für Privatunternehmen einfacher ist als für öffentlich-rechtliche Gesellschaften, Müll illegal außerhalb der Staatsgrenzen zu deponieren, strich New York City 1957 die Müllabfuhr für Handelsunternehmen. Für jede Art von Handelsunternehmen, über Nacht. Zum ersten Mal seit hundert Jahren. Plötzlich waren sämtliche Firmen der Stadt im Exportgeschäft, mit einer gewichtigen, verderblichen Ware, die nur per Lkw transportiert werden konnte.
Die Mafia kannte sich aus den Papiersammlerzeiten mit Lkws aus und mochte sie. Lkws sind langsam, leicht zu finden, und ihre Crews sind leichte Beute. Mitte der 60er Jahre war es so weit, dass der Mob die von ihm kontrollierte Müllarbeitergewerkschaft regelmäßig gegen die in seiner Hand vereinten Müllabfuhrunternehmen streiken ließ und zusah, wie der Bürgermeister schleunigst die Abfuhrgebühren erhöhte, um die drohende Rattenplage und Seuchengefahr abzuwenden.
So ging das bis in die 1990er Jahre. Man hört so viel von Armani-Anzügen und eleganten Dons und Respekt, und man hört
Ha-ha, Tony Soprano tut, als wäre er in der Müll
branche,
dabei hat jahrelang wirklich der Müll die Fünf Familien am Leben erhalten. Drogen, Mord, Nutten - auch das Glücksspiel, bis die Indianer kamen - waren nur Nebenverdienste.
Dann aber zog Rudy Giuliani einen Schlussstrich und brachte Waste Management ins Spiel, ein so beängstigendes multinationales Unternehmen, dass sich die Mafia dagegen ausnahm wie die kleinen Mädchen in den Schönheitswettbewerben, an denen JonBenet Ramsey immer teilnahm. Die schweren Verbrechen von Waste Management machten unter anderem letztlich eine Umgestaltung der Börsenaufsicht notwendig, doch als WM auf der New Yorker Müllszene erschien, hörten viele schon die Totenglocken für die Mafia läuten.
Und einmal mehr wurde ihr Tod durch die Gesetzgebung abgewendet. Diesmal auf Staatsebene.
Seit einigen Jahren hatte der Mob eine Masche mit Tankstellen laufen, die sie von Strohmännern eröffnen ließen und dichtmachten, wenn die Staatssteuer fällig wurde. Da die Steuer mehr als 25 Cent pro Gallone betrug, konnten sie damit jeden ehrlichen Konkurrenten aus dem Rennen werfen. Das war lukrativ, brachte aber viel Ausfallzeit mit sich, da jede Tankstelle nach dem Bankrott mindestens ein Vierteljahr geschlossen bleiben musste. Dann änderte der Staat das Gesetz dahingehend, dass statt der Einzelhändler die Benzingroßhändler die Benzinsteuer zahlen mussten.
Damit sollte dem Benzinsteuerbetrug der Boden entzogen werden, aber es war die Geburtsstunde der noch viel lukrativeren Neuen Benzinsteuermasche - die, man glaubt es kaum, von Lawrence Iorizzo und dem russischen Gangster »Little« Igor Roizman gleichzeitig erfunden wurde, wie das Infinitesimalkalkül von Newton und Leibniz.
Bei der Neuen Benzinsteuermasche wurden Scheingroßhandlungen eröffnet und dichtgemacht, die Tankstellen aber das ganze Jahr hindurch betrieben - eine Goldgrube. So durchsichtig und lächerlich es sich anhört, bis Ende 1995 hatten die Sizilianer und die Russen allein New York und New Jersey damit um insgesamt vierhundert Millionen Dollar erleichtert.
Letztlich bekam es den Sizilianern aber nicht, im selben Geschäft wie die Russen zu sein. Die Sizilianer waren nach zweitausend Jahren Aasfresserkultur so faul geworden wie die Briten und träumten wie sie davon, umhegt von
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