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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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ihn bloß an.
    »Wenn ich Sie brauche, piepe ich Sie an«, sagt er.
    Ich würde meinen Abgang gern vermeiden, aber ich weiß nicht, wie. Ich bin abgelenkt - einmal dadurch, dass Dr. Friendly, als er mir den Rücken kehrt, Marim'r-Aufnäher über den Nieren hat, zum anderen durch den Geruch seines Assistenten.
    Den ich plötzlich wiedererkenne. Die dunkel geränderten, blutunterlaufenen Augen des Assis glotzen mich an, als ich mich umdrehe.
    »OP-Geist?«, frage ich ihn.
    »Ja«, sagt er. »Danke, dass Sie mich haben schlafen lassen.« Sein Atem riecht immer noch übelst.
    Im Gehen wende ich mich noch einmal an Squillante. »Schön am Leben bleiben, bis ich wiederkomme.«

    Beim Verlassen des Anadale-Trakts habe ich einen schrillen Heulton im linken Ohr.
    Ich versuche mir vorzustellen, was Professor Marmoset -der Meister - mir raten würde. Fast frage ich ihn laut:
Professor Marmoset!!! Was soll ich bloß machen???
    Ich stelle mir vor, wie er den Kopf schüttelt.
Bin ich völlig überfragt, Ismael.*
(Ismael war mein Deckname bei WITSEC, wenn mich auch außer Prof. Marmoset nie jemand so genannt hat. »WITSEC« ist die raffinierte Abkürzung des FBI für »Federal Witness Protection Program«, das nationale Zeugenschutzprogramm.)
    Scheiß drauf. Ich hole mein Handy raus. Spreche »Marmoset« hinein und drücke die Wähltaste.
    Eine vorbeilaufende Schwester sagt: »Handys sind hier drin verboten.«
    »Klar«, sage ich zu ihr.
    Auf dem Handy sagt eine lächerlich hauchige, sexy weibliche Stimme: »Hz,
ich bin Firefly, der automatische telefonische Auftragsdienst. Wen möchten Sie sprechen?«
Es sind Worte wie aus einer Vagina.
    »Marmoset.«
    »Professor Marmoset meldet sich nicht. Möchten Sie, dass ich ihn suche?«
    »Ja«, antworte ich dem verdammten Ding. »Bitte nennen Sie Ihren Namen.« »Ismael.«
    »Einen Augenblick bitte«,
sagt Firefly.
»Möchten Sie Musik hören, während Sie warten?«
»Leck mich«, sage ich.
    Aber der Dumme bin ich. Ein Song von Sting ertönt.
    »Ich konnte ihn leider nicht ausfindig machen«,
sagt Firefly schließlich.
»Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?«
    »Ja«, sage ich, mit Tränen der Bitterkeit kämpfend, weil ich mich mit diesem Monstrum unterhalten muss.
    »Gern. Bitte sprechen Sie Ihre Nachricht jetzt.«
    »Professor Marmoset -«, setze ich an. Es pfeift.
    Dann Stille. Ich warte ein paar Sekunden. Nichts passiert.
    »Professor Marmoset«, sage ich. »Gerade kam ein Pfeifton. Ich weiß nicht, ob das Band jetzt läuft oder die Aufzeichnung schon aufgehört hat. Hier ist Ismael. Ich muss Sie dringend sprechen. Bitte rufen Sie zurück oder piepen Sie mich an.«
    Ich gebe beide Nummern durch, obwohl ich die Handynummer vom Namensschild an meinem Stethoskop ablesen muss. Ich weiß nicht mehr, wann ich sie zuletzt jemandem gegeben habe.
    Dann überlege ich, ob ich Sam Freed anrufen soll, der mich überhaupt erst ins WITSEC hineingebracht hat. Freed ist allerdings pensioniert, und ich habe keine Ahnung, wie ich ihn erreichen kann. Und mit seinem unbekannten Nachfolger zu reden, dazu bin ich nicht in der Verfassung.
    Als der Pieper wieder piept, sehe ich nach, ob es Marmoset ist. Aber es ist nur ein alphanumerisches Denkdran, dass die Lage, mag sie noch so schlimm sein, immer noch schlimmer werden kann.
    »WO SIND SIE? OA-VISITE SOFROT KOMM SONST FLIENG SIE.«
    Sogar an einem guten Tag würde ich lieber mit dem Angestellten einer Versicherungsgesellschaft reden als die Oberarztvisite durchzustehen. Jetzt, wo ein Flachkopf, an den ich jahrelang keinen Gedanken verschwendet habe, dafür sorgen könnte, dass ich unter die Erde komme oder wieder die Flucht ergreifen muss, ist es zum Auswachsen.
    Denn,
SOFROT KOMM
oder nicht, es sieht aus, als wäre ich am
RSCH.
     

Kapitel 6
    Netter Tipp für Sie, wenn Sie mal in Sizilien sind: Nichts wie raus da. Schnell.
    Die Insel ist zum Weglaufen, seit die Römer ihre Wälder abgebrannt und die Hügel plattgemacht haben, um eine für die Heuschrecken unerreichbare Weizenfarm nahe der italienischen Halbinsel zu bekommen. Selbst Garibaldis Rothemden haben bei der Befreiung Italiens Sizilien in Ketten gelassen. Es war zu wertvoll, um es aufzugeben.
    Die Sizilianer selbst haben sich im Lauf der Jahrhunderte in drei Klassen aufgespalten. Einmal die Leibeigenen, über die wenig zu sagen ist. Dann die Gutsbesitzer, die Wohnsitze auf der Insel hatten, doch möglichst selten vorbeikamen. Und die Aufseher - eine Klasse von Blutsaugern, die, wenn sie die

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