Schneller als der Tod
leider sagen, unter Umständen genauso gut, wenn nicht besser.
Ich gehe mit den Sachen in ein Zimmer mit einem freien Bett auf der Türseite und setze mich zum Essen auf den Rand der pissfleckigen Matratze.
Ich habe gerade angefangen, da sagt eine Frauenstimme von der anderen Seite des Vorhangs: »Wer ist da bitte?«
Ich esse erst fertig - eine Sache von etwa vier Sekunden -, zerkaue noch eine Moxfan, dann stehe ich auf und gehe zu dem anderen Bett.
Eine junge Frau liegt da. Hübsch, einundzwanzig.
Hübsch ist selten im Krankenhaus. Jung ebenso.
Aber nicht deshalb stutze ich.
»Verdammt«, sage ich. »Sie sehen aus wie jemand, den ich mal kannte.«
»Eine Freundin?« »Ja.«
Es ist nur eine entfernte Ähnlichkeit - die dunklen Hexenaugen vielleicht -, aber in meiner gegenwärtigen Verfassung haut mich das um.
»Böses Ende?«, fragt die Frau.
»Sie ist tot«, sage ich.
Aus irgendeinem Grund denkt sie, ich mache Witze. Wahrscheinlich verdirbt das Moxfan meine Mimik oder so was. Sie sagt: »Und jetzt arbeiten Sie im Krankenhaus, um Menschen zu retten?«
Ich zucke die Achseln.
»Das ist ziemlich schnulzig«, sagt sie.
»Nicht, wenn man so viele Menschen umgebracht hat wie ich«, sage ich.
Und denke:
Ha. Vielleicht sollte ich rausgehen und den Drogen
ganz
das Reden überlassen.
»Behandlungsfehler oder mehr so die Serienmördertour?« »Wohl von beidem etwas.« »Sind Sie ein Pfleger?« »Ich bin Arzt.«
»Sie sehen nicht wie ein Arzt aus.«
»Und Sie nicht wie eine Patientin«, sage ich.
Das stimmt. Äußerlich ist sie die Gesundheit selbst.
»Bald schon.«
»Wieso?«
»Sind Sie nicht mein Arzt?« »Nein. Ich bin nur neugierig.«
Sie dreht sich weg. »Heute Nachmittag schneiden sie mir das Bein ab.«
Darüber denke ich einen Augenblick nach. Dann sage ich: »Wollen Sie's spenden?«
Sie lacht rau. »Klar, dem Mülleimer.« »Was ist denn mit Ihrem Bein?« »Ich habe Knochenkrebs.« »Wo?« »Am Knie.«
Bevorzugtes Osteosarkomgebiet. »Darf ich mal sehen?«
Sie schlägt die Bettdecke zurück. Ein Teil ihres Nachthemds geht mit hoch und lässt mich ihre schimmernde Muschi sehen. Der moderne Typ: Mexikanisch unbehaarte Muschi. Ich sehe das blaue Bändchen ihres Tampons. Schnell ziehe ich die Decke wieder über ihren Schritt.
Schaue auf ihre Knie. Das rechte ist merklich geschwollen, besonders auf der Rückseite. Teigig, als ich es betaste.
»Igitt«, sage ich.
»Wem sagen Sie das.«
»Wann ist die letzte Biopsie gemacht worden?« »Gestern.«
»Was haben sie gefunden?«
»>Blutiges amorphes Drüsengewebe< nannten sie's.« Igittigitt. »Seit wann haben Sie das?« »Diesmal?«
»Wie meinen Sie das?«, sage ich.
»Das erste Mal hatte ich's ungefähr zehn Tage lang. Aber das war vor drei Monaten.«
»Ich verstehe nicht. Es ist weggegangen?«
»Ja. Bis vor ungefähr einer Woche. Dann kam es wieder.«
»Hm«, sage ich. »Das ist mir noch nicht untergekommen.«
»Die sagten auch, das sei ziemlich selten.«
»Aber sie wollen nicht abwarten, ob es nochmal weggeht?«
»Dafür ist diese Art Krebs zu gefährlich.«
»Osteosarkom?«
»Ja.«
»Wohl wahr.«
Wenn
es ein Osteosarkom ist. Aber was, zum Teufel, weiß ich schon? »Ich schlag das mal nach«, sage ich ihr. »Muss nicht sein. Es sind jetzt nur noch ein paar Stunden.« »Trotzdem. Brauchen Sie sonst noch was?« »Nein.« Sie schweigt. »Es sei denn, Sie würden mir eine Fußmassage geben.« »Das kann ich machen.«
Sie wird rot wie eine Polizeisirene, hält aber meinen Blick. »Wirklich?«
»Warum nicht?« Ich setze mich auf die Bettkante und nehme ihren Fuß in die Hand. Bewege das Band an ihrem Fußgewölbe mit der Daumenkante hin und her.
»Ach du Scheiße«, sagt sie. Sie schließt die Augen, und Tränen quellen daraus hervor.
»Entschuldigung«, sage ich.
»Nicht aufhören.«
Ich mache weiter. Nach einer Weile sagt sie so leise, dass ich es kaum höre: »Lecken Sie ihn mir?« Ich sehe sie an. »Lecken? Wen?«
»Meinen Fuß, Sie Perverser«, sagt sie, ohne die Augen zu öffnen.
Also nehme ich ihren Fuß zum Mund hoch und lecke am Spann entlang.
»Und mein Bein«, sagt sie.
Ich seufze. Ich lecke die Innenseite ihres Beins, fast bis zum Schritt hoch.
Dann stehe ich auf. Und frage mich flüchtig, wie mein Leben als Arzt wohl aussähe, wenn ich mich jemals wie einer benähme.
»Geht's Ihnen gut?«, sage ich.
Sie weint. »Nein«, sagt sie. »Die schneiden mir das scheiß Bein ab.«
»Entschuldigung. Soll ich nachher
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