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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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gegen Kaution angeboten. Ich saß acht Monate lang im Federal Metropolitan Correctional Center for the Northeast Region (FMCCNR) gegenüber dem Rathaus in Downtown Manhattan,
bevor mein Prozess überhaupt anfing.
    Zweitens, wenn Sie nicht gerade ein abschreckend aussehender, bekannter Killer sind wie ich damals, wird es Ihnen im Knast wesentlich dreckiger ergehen als mir. Ich wurde beispielsweise nie gezwungen, neben dem stets randvoll mit Urin, Kot und Erbrochenem gefüllten, deckellosen Alu-Klo zu schlafen, das nur darauf wartete, überzuschwappen, sobald es jemand benutzte. Ich wurde nie zum »Wäsche waschen« gezwungen und musste keine der tausend anderen phantasievollen Erniedrigungen über mich ergehen lassen, die Häftlinge sich ausdenken, um ihre Macht über andere unter Beweis zu stellen und die Langeweile zu bekämpfen. Sogar die Wärter krochen mir in den Hintern.
    Und wohlgemerkt, dies war keine Strafanstalt. Es war ein
Untersuchungsgefängnis.
Wo man Leute einsperrt, die als
unschuldig
gelten. Wenn Sie in New York nach Rikers Island geschickt werden (dahin wäre ich gekommen, wenn meine Anklage nicht Bundessache gewesen wäre), bedeutet das nur, dass eine Anklage gegen Sie vorliegt.
    Und wenn Sie glauben, Sie landen da sowieso nie, weil Sie weiß sind und die Rechtsprechung
für
Sie arbeitet oder weil Sie weder Pot rauchen noch das Finanzamt betrügen, noch sich sonstwie verwundbar machen, heißt das noch gar nichts. Irrtümer passieren, und schon fällt man einem Verein in die Hände, der ungefähr so kompetent ist wie die Kfz-Zulassungsstelle, nur dass er die Nummern schneller rausrückt.
    Und selbst in New York City ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie verhaftet werden - ganz gleich, wer Sie sind - hundertfünfzig Mal größer als die, dass Sie überfallen werden.

    Außerdem ist U-Haft das Letzte.
    Schon wegen des Krachs. Hundefarmen sind angeblich laut, weil jedes Geräusch über fünfzig Dezibel Hunden weh tut, und sobald ein Hund vor Schmerz losbellt, fallen die anderen ein, und der Lärmpegel steigt einfach immer weiter. Ähnlich im Untersuchungsgefängnis. Immer ist jemand so durch den Wind, dass er nur noch schreit, und immer plärren die Funkgeräte, aber das macht den Lärm nur zum Teil aus.
    Die Gefangenen reden ununterbrochen. Manchmal reden sie, um sich gegenseitig zu schikanieren. Im Knast sind selbst die Dümmsten, diejenigen, bei denen man staunt, dass sie das Ein- und Ausatmen hinbekommen, ständig auf der Pirsch. Denn sie haben gute Chancen, jemanden zu finden, der noch dümmer ist als sie, noch durchgedrehter, noch schlimmer auf Droge, dessen Mutter noch mehr Alkohol getrunken hat, als sie mit ihm schwanger ging, oder was weiß ich.
    Aber die Leute im Knast reden auch, um zu reden. Information wird in einer so chaotischen Umgebung einfach wichtig, ganz gleich, was sie taugt.
    Der eigentliche Wert des Miteinanderredens im Knast scheint allerdings darin zu bestehen, dass es die Leute vom
Denken
abhält. Anders lässt es sich nicht erklären. Ein Häftling redet lieber mit jemandem, der vier Zellen entfernt ist, als dass er mal zwei Minuten den Schnabel hält. Als machte der Typ, der nebenan jemanden ersticht oder vergewaltigt oder seine selbstgebaute Fixe an der Wand schärft, nicht schon genug Krach. Selbst wenn Sie einem mit dem
Tod
drohen, redet er weiter.
    Alle hoffen darauf, dass man ihnen in dem hirnlosen Durcheinander etwas sagt, was man nicht sagen sollte, damit sie es den Wärtern verkaufen können. Häftlinge reden unentwegt davon, wie sie
Singvögel
hassen und dass man nie und nimmer
singen
darf, weshalb sie gerade mal wen abstechen müssen, der
gesungen
hat. »Singen« ist eins ihrer Lieblingswörter.*
(Und klingt noch mehr nach Dr. Seuss, wenn man »Pfeifen« dazunimmt, das Wort, mit dem ein Häftling gern die anderen bezeichnet.)
    Aber all diese Blödmänner, so oft sie auch behaupten, dass sie ums Verrecken nicht singen und pfeifen würden, versuchen praktisch von morgens bis abends, etwas auszugraben, wovon sie singen können. Um ihr Strafmaß zu verringern, sich einzuschleimen oder einfach um der Langeweile Herr zu werden.
    Ein anderes beliebtes Thema in der U-Haft ist, wo man hinkommt.
    Bei mir als Mobster und Killer war es klar, dass ich in einen Knast der höchsten Sicherheitsstufe, nämlich Stufe 5 im Bundessystem, kommen würde. Die Frage war, in welchen der beiden - Leavenworth oder Marion.
    Das Interessante an Leavenworth und Marion ist, dass sie die einzigen

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