Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
Professionelle Anleger inklusive Fondsmanager lassen ein elementares Zeichen
für Kompetenz vermissen: anhaltenden Erfolg. Das Diagnosekriterium für Kompetenz ist die Konsistenz individueller Leistungsunterschiede. Die Logik ist einfach: Wenn individuelle Unterschiede in einem beliebigen Jahr gänzlich zufallsbedingt sind, schwankt das Ranking der Investoren und Fonds in einer unberechenbaren Weise, und die Korrelation der Rangordnungen von Jahr zu Jahr ist gleich null. Wenn die Kompetenz der Anleger eine Rolle spielt, sind die Rankings stabiler. Die Beständigkeit individueller Unterschiede ist das Maß, mit dem wir das Vorhandensein von Kompetenz bei Golfern, Autohändlern, Kieferorthopäden oder flotten Kassierern in Mautstellen erfassen.
Investmentfonds werden von äußerst erfahrenen und tüchtigen Fachleuten gemanagt, die Aktien kaufen und verkaufen, um die bestmöglichen Ergebnisse für ihre Kunden herauszuholen. Dennoch ist die Datenlage nach über fünfzigjähriger Forschung eindeutig: Bei der großen Mehrheit der Fondsmanager gleicht die Auswahl von Einzeltiteln eher einem Würfel- als einem Pokerspiel. Im Allgemeinen ist die Wertentwicklung bei zwei von drei Investmentfonds in jedem beliebigen Jahr schlechter als die des Gesamtmarktes. 6
Noch wichtiger aber ist, dass die Korrelation zwischen aufeinanderfolgenden jährlichen Anlageergebnissen von Investmentfonds sehr klein ist, kaum größer als null. Die erfolgreichen Fonds in jedem beliebigen Jahr haben einfach das meiste Glück; sie haben gut gewürfelt. Es besteht allgemeine Einigkeit unter Forschern, dass fast alle Stockpicker, ob sie es wissen oder nicht – und nur wenige wissen es –, ein Zufallsspiel spielen. Wertpapierhändler haben subjektiv das Gefühl, in einer Situation großer Ungewissheit rationale, wohlbegründete Vermutungen anzustellen. In hocheffizienten Märkten aber sind auch fundierte Vermutungen nicht treffgenauer als blinde Vermutungen.
Vor einigen Jahren hatte ich eine ungewöhnliche Gelegenheit, die Illusion, dass finanzwirtschaftliche Sachkunde bessere Anlageergebnisse gewährleistet, genauer zu prüfen. Ich war eingeladen worden, in einem Unternehmen, das sehr reichen Kunden Vermögensberatung und andere Dienstleistungen anbietet, einen Vortrag vor einer Gruppe von Anlageberatern zu halten. Ich bat im Vorfeld um einige Daten zur Vorbereitung meiner Präsentation und erhielt einen kleinen Schatz: eine Tabelle, in der die Anlageergebnisse von etwa 25 anonymen Vermögensberatern für jeweils acht aufeinanderfolgende Jahre aufgelistet waren. Der Punktwert jedes Beraters für jedes Jahr war der bestimmende Faktor für die Höhe seiner Jahresprämie. Es war leicht, die Berater nach ihrer jeweiligen jährlichen Leistung einzustufen und herauszufinden, ob es beständige
Erfolgsunterschiede zwischen ihnen gab und ob dieselben Berater anhaltend, Jahr für Jahr, bessere Ergebnisse für ihre Kunden herausholten. 7
Um diese Frage zu beantworten, berechnete ich Korrelationskoeffizienten zwischen den Rangplätzen in jedem Paar von Jahren: Jahr eins mit Jahr zwei, Jahr eins mit Jahr drei und so weiter, bis zu Jahr sieben mit Jahr acht. Das ergab 28 Korrelationskoeffizienten, einen für jedes Paar von Jahren. Ich kannte die Theorie und rechnete damit, leichte Belege für beständige kompetenzbasierte Erfolgsunterschiede zu finden. Doch überraschenderweise betrug der Mittelwert der 28 Korrelation 0,1. Anders gesagt: null. Die konstanten Korrelationen, die auf Kompetenzunterschiede hingedeutet hätten, waren nicht zu finden. Die Ergebnisse glichen dem, was man bei einem Würfelspiel, nicht bei einem Geschicklichkeitsspiel erwarten würde.
Niemand in dem Unternehmen schien sich der Eigenart des Spiels, das seine Stockpicker spielten, bewusst zu sein. Die Berater selbst sahen sich als kompetente Fachleute, die einer seriösen Arbeit nachgingen, und ihre Vorgesetzten sahen das genauso. Am Vorabend des Seminars aßen Richard Thaler und ich mit einigen der Topmanager der Firma zu Abend, jenen Personen, die über die Höhe der Prämie entscheiden. Wir baten sie, die Korrelation zwischen den jährlichen Rangplätzen einzelner Berater zu schätzen. Sie glaubten zu wissen, was nun kommen würde, und sagten lächelnd »Nicht sehr hoch« oder »Die Leistung schwankt bestimmt«. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass niemand erwartet hätte, dass die mittlere Korrelation gleich null ist.
Unsere Botschaft an die Führungskräfte lautete,
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