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Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Titel: Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kahneman
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Vermögenswerte, die auf einem Markt gehandelt werden, den »richtigen« Preis besitzen, dann kann niemand erwarten, durch Kauf oder Verkauf einen Gewinn oder einen Verlust zu machen. Vollkommene Preise lassen keinen Raum für intelligente Kalküle, aber sie schützen den Leichtfertigen oder Unkundigen auch vor den Folgen seines Leichtsinns. Wir wissen heute jedoch, dass diese Theorie nicht stimmt. Viele Investoren machen bei ihren Wertpapiergeschäften durchgehend Verluste, eine Leistung, mit der es ein Dartpfeile werfender Schimpanse nicht aufnehmen könnte. Terry Odean, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität von Kalifornien in Berkeley – ein ehemaliger Student von mir –, hat diese erstaunliche Tatsache als Erster nachgewiesen. 1
    Odean analysierte zunächst sämtliche Transaktionen, die von einzelnen Investoren über einen Zeitraum von sieben Jahren über 10 000 Brokerage-Konten (Abwicklungskonten für Wertpapierhandel) getätigt wurden. Er wertete jede Transaktion aus, die Investoren über diese Firma ausführten, insgesamt fast 163 000 Kauf- und Verkaufsgeschäfte. Diese große Datenmenge erlaubte es Odean, sämtliche Fälle zu identifizieren, in denen ein Anleger einen Teil seines Bestands an Anteilsscheinen eines bestimmten Wertes verkaufte und bald darauf eine andere Aktie kaufte. Der Anleger enthüllt durch diese Geschäfte, dass er eine eindeutige Erwartung bezüglich der zukünftigen Wertentwicklung der beiden Aktien hatte: Er erwartete, dass sich die Aktie, die er kaufte, besser entwickeln würde als die Aktie, die er verkaufte.
    Um herauszufinden, ob diese Erwartungen begründet waren, verglich Terry Odean die Wertentwicklung der Aktie, die der Investor abgestoßen hatte, mit derjenigen, die er stattdessen gekauft hatte, und zwar über einen Zeitraum von
einem Jahr nach Abschluss der Transaktion. Die Ergebnisse waren eindeutig negativ. Im Schnitt entwickelten sich die Aktien, die die Händler verkauften, besser als jene, die sie kauften, und zwar erheblich besser: um 3,2 Prozentpunkte pro Jahr, und dies unter Berücksichtigung der beachtlichen Transaktionskosten.
    Man sollte sich daran erinnern, dass dies eine Aussage über Durchschnittswerte ist: Einige Anleger verzeichneten weit höhere Wertzuwächse, andere weit niedrigere. Dennoch steht fest, dass es für die große Mehrheit der einzelnen Investoren besser gewesen wäre, wenn sie gar nichts unternommen hätten, als ihren Erwartungen zu folgen. Spätere Studien von Odean und seinem Kollege Brad Barber erhärteten diese Schlussfolgerung. In einem Aufsatz mit dem Titel »Wertpapiergeschäfte bedrohen Ihr Vermögen« zeigten sie, dass die aktivsten Händler die schlechtesten Ergebnisse hatten, während die Anleger, die am passivsten waren, die höchsten Renditen einstrichen. In einem anderen Aufsatz mit dem Titel »Jungen sind eben Jungen« wiesen sie nach, dass Männer ihre unbrauchbaren Ideen deutlich häufiger in die Tat umsetzten als Frauen und dass Frauen daher bessere Anlageergebnisse erzielen als Männer. 2
    Natürlich gibt es bei jeder Transaktion einen Geschäftspartner; dies sind in der Regel Finanzinstitute und professionelle Anleger, die bereit sind, die Fehler auszunutzen, die Privatanleger bei der Auswahl von abzustoßenden und zu kaufenden Aktie machen. Weitere Forschungen von Barber und Odean haben diese Fehler genauer beleuchtet. Privatanleger neigen dazu, ihre Gewinne zu realisieren, indem sie »Gewinner« verkaufen, also Aktien, die seit ihrem Kauf einen deutlichen Kursanstieg verzeichnet haben, während sie an ihren »Verlierern« festhalten. 3 Doch zu ihrem Pech zeigen aktuelle Gewinner kurzfristig eine bessere Wertentwicklung als aktuelle Verlierer, sodass die Anleger die falschen Aktien verkaufen. Und sie kaufen auch die falschen Aktien. Privatanleger wenden sich vorhersehbarerweise in Scharen Unternehmen zu, die ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen, weil sie Schlagzeilen machen. Professionelle Investoren reagieren selektiver auf Nachrichten. 4 Diese Befunde lassen den Ausdruck smart money (professionell verwaltete, rentable Anlagegelder), den Finanzprofis auf sich selbst beziehen, gerechtfertigt erscheinen.
    Auch wenn Profis den Amateuren erhebliche Summen an Geld entlocken können, haben nur wenige Stockpicker (Investoren, die nach Einzeltiteln Ausschau halten, welche eine überdurchschnittliche Rendite versprechen) die erforderliche Sachkunde, um durchgängig, Jahr für Jahr, den Markt zu schlagen. 5

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