Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
Erfahrung einer frei gewollten Handlung ist weitgehend losgelöst von der physikalischen Kausalität. Obgleich es Ihre Hand ist, die nach dem Salzstreuer greift, denken Sie über dieses Ereignis nicht in Begriffen physikalischer Kausalität nach. Sie erleben es als verursacht durch eine Entscheidung, die Ihr vom Körper losgelöstes Selbst traf, weil Sie ihr Essen salzen wollten. Viele Menschen beschreiben wie selbstverständlich ihre Seele als die Quelle und die Ursache ihrer Handlungen. Der Psychologe Paul Bloom stellte in einem Beitrag, der 2005 in der Zeitschrift The Atlantic veröffentlicht wurde, die provokative Behauptung auf, unsere angeborene Bereitschaft, physikalische und intentionale Kausalität zu trennen, erkläre die Tatsache, dass religiöse Überzeugungen praktisch universell seien. Er bemerkte: »Wir nehmen die Welt der Dinge als weitgehend getrennt von der Welt der Psyche wahr, und dies ermöglicht es uns, dass wir uns seelenlose Körper und körperlose Seelen vorstellen.« Die beiden Kausalitätsmodi, auf die unsere Wahrnehmung eingestellt ist, führen dazu, dass wir die beiden zentralen Glaubenssätze vieler Religionen wie selbstverständlich akzeptieren: Eine immaterielle Gottheit ist die letzte Ursache der materiellen Welt, und unsterbliche Seelen kontrollieren unsere Körper, solange wir leben, und verlassen diese wieder, sobald wir sterben. 7 Nach Blooms Auffassung wurden die beiden Kausalitätskonzepte jeweils gesondert von evolutionären Kräften ausgeformt, die die Ursprünge der Religion in die Struktur von System 1 einbauten.
Die Bedeutung kausaler Intuitionen ist ein wiederkehrendes Thema in diesem Buch, weil Menschen dazu neigen, kausales Denken unsachgemäß anzuwenden, nämlich auf Situationen, die statistisches Denken erfordern. Statistisches Denken leitet Schlüsse über Einzelfälle von Eigenschaften aus Kategorien und Gesamtheiten ab. Leider ist System 1 dieser Denkmodus nicht zugänglich; System 2 kann lernen, statistisch zu denken, aber nur wenige Menschen erhalten die notwendige Schulung.
Die Psychologie der Kausalität bildete die Grundlage für meine Entscheidung, psychische Prozesse mit Metaphern der Handlungskompetenz zu beschreiben, wobei ich mich wenig um Konsistenz bemühte. Manchmal stelle ich System 1 als einen Akteur mit gewissen Merkmalen und Präferenzen dar,
manchmal als eine Assoziationsmaschine, die die Wirklichkeit durch ein komplexes Muster von Verknüpfungen repräsentiert. Das System und die Maschine sind Fiktionen; ich benutze sie deshalb, weil sie unserem Kausalitätsdenken entsprechen. Heiders Dreiecke und Kreise sind keine realen Akteure – es drängt sich nur geradezu auf, sie als solche zu sehen. Es ist eine Frage der mentalen Ökonomie. Ich vermute, dass Sie es (wie ich) leichter finden, wenn wir die Psyche manchmal in Begriffen von Merkmalen und Intentionen (die beiden Systeme) und manchmal in Begriffen mechanischer Regelmäßigkeiten (die Assoziationsmaschine) beschreiben. Ich habe nicht vor, Sie davon zu überzeugen, dass die Systeme real sind, ebenso wenig wie Heider uns glauben machen wollte, dass das große Dreieck wirklich ein Rüpel ist.
Zum Thema »Normen und Ursachen«
»Als sich zeigte, dass der zweite Bewerber ebenfalls ein alter Freund von mir ist, hat mich das nicht mehr so überrascht. Schon nach sehr wenigen Wiederholungen fühlt sich eine neue Erfahrung normal an!«
»Wenn wir die Reaktion auf diese Produkte untersuchen, sollten wir uns nicht ausschließlich auf den Durchschnittswert konzentrieren. Wir sollten das gesamte Spektrum normaler Reaktionen betrachten.«
»Sie kann sich nicht damit abfinden, dass sie einfach Pech hatte; sie muss unbedingt eine Ursache finden. Zu guter Letzt wird sie noch glauben, dass jemand ihre Arbeit absichtlich sabotiert.«
7. Eine Maschine für voreilige Schlussfolgerungen
Seit meiner Jugend ist mir ein Spruch des großen Komikers Danny Kaye unvergesslich. Über eine Frau, die er nicht mochte, sagte er: »Sie ist am liebsten außer sich und mag es, voreilige Schlüsse zu ziehen.« Ich erinnere mich, dass ich diesen Spruch im ersten Gespräch mit Amos Tversky über die Rationalität statistischer Intuitionen erwähnte, und ich glaube heute, dass er eine passende Beschreibung der Funktionen von System 1 liefert. Voreilige Schlussfolgerungen sind dann effizient, wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffen, wenn die Kosten eines gelegentlichen Fehlers akzeptabel sind und sie viel
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