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Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Titel: Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kahneman
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System 2 ist, und er beschrieb ein elegantes Experiment, mit dem er das zu beweisen versuchte. 1 Den Versuchspersonen wurden unsinnige Aussagen dargeboten, wie etwa der Satz: »Ein Dinca ist eine Flamme«, worauf innerhalb weniger Sekunden ein einzelnes Wort, »wahr« oder »falsch«, folgte. Später wurden sie einem Gedächtnistest unterzogen, um herauszufinden, welche Sätze sie als »wahr« markiert hatten. In einer Variante des Experiments sollten sich die Probanden während der Aufgabe Ziffern einprägen. Die Störung von System 2 hatte eine selektive Wirkung: Sie erschwerte es den Probanden, falsche Sätze nicht zu glauben. Bei einem späteren Gedächtnistest kam heraus, dass die kognitiv erschöpften Probanden schließlich viele der falschen Sätze für wahr hielten. Die Lehre aus diesem Experiment ist bedeutsam: Wenn System 2 anderweitig beschäftigt ist, glauben wir fast alles. System 1 ist leichtgläubig und neigt dazu, Aussagen für wahr zu halten; System 2 ist dafür zuständig, Aussagen anzuzweifeln und nicht zu glauben, aber System 2 ist manchmal beschäftigt und oft faul. Tatsächlich gibt es Hinweise dafür, dass sich Menschen eher von inhaltsleeren, überredenden Botschaften wie etwa Werbespots beeinflussen lassen, wenn sie müde und kognitiv erschöpft sind.
    Die Operationen des assoziativen Gedächtnisses tragen zu einer allgemeinen Bestätigungstendenz bei. Auf die Frage »Ist Sam freundlich?« fallen Ihnen andere Episoden von Sams Verhalten ein, als wenn man Sie gefragt hätte: »Ist Sam unfreundlich?« Die gezielte Suche nach bestätigenden Hinweisen, »positive Teststrategie« genannt, ist auch die Methode, mit der System 2 eine Hypothese überprüft. Im Gegensatz zu den Regeln von Wissenschaftstheoretikern,
die empfehlen, Hypothesen dadurch zu überprüfen, dass man sie zu widerlegen versucht, suchen Menschen (und recht häufig auch Wissenschaftler) eher nach Daten, die mit ihren gegenwärtigen Überzeugungen vereinbar sind. Die Bestätigungstendenz von System 1 begünstigt die unkritische Annahme von Vorschlägen und überzeichnet die Wahrscheinlichkeit extremer und unwahrscheinlicher Ereignisse. Wenn man Sie fragt, für wie wahrscheinlich Sie es halten, dass Kalifornien innerhalb der nächsten dreißig Jahre von einem Tsunami heimgesucht wird, sind die Bilder, die Ihnen durch den Sinn gehen, wahrscheinlich Bilder von Tsunamis, so wie es Gilbert für unsinnige Aussagen wie »Renken essen Bonbons« behauptete. Sie werden dazu neigen, die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe zu überschätzen.

Überzogene emotionale Kohärenz – der Halo-Effekt
    Wenn Sie die Politik des Präsidenten gut finden, dann gefallen Ihnen wahrscheinlich auch seine Stimme und sein Aussehen. Die Tendenz, alles – auch Dinge, die Sie gar nicht beobachtet haben – an einem Menschen zu mögen (oder nicht zu mögen), wird »Halo-Effekt« genannt. Der Terminus ist in der Psychologie seit hundert Jahren gebräuchlich, aber in der Alltagssprache hat er keine große Verbreitung gefunden. Das ist schade, denn der Halo-Effekt ist ein guter Name für eine weitverbreitete kognitive Verzerrung, die unsere Sicht von Menschen und Situationen maßgeblich beeinflusst. Er trägt mit dazu bei, dass die Repräsentation der Welt, die System 1 erzeugt, einfacher und kohärenter ist als die Wirklichkeit.
    Sie lernen auf einer Party eine Frau namens Joan kennen und finden sie sympathisch und umgänglich. Bald darauf fragen Sie sich, ob man wegen einer karitativen Spende an sie herantreten könnte. Was wissen Sie über die Großzügigkeit Joans? Die richtige Antwort lautet, dass Sie praktisch nichts darüber wissen, weil wenig Grund zu der Annahme besteht, dass kontaktfreudige Menschen auch großzügige Spender für wohltätige Zwecke sind. Aber Joan ist Ihnen sympathisch, und wenn Sie an sie denken, erleben Sie unwillkürlich wieder dieses Gefühl der Zuneigung. Sie mögen auch Großzügigkeit und großzügige Menschen. Aufgrund dieser Assoziation neigen Sie nunmehr zu der Annahme, Joan sei großzügig. Und jetzt, wo Sie glauben, dass Joan großzügig ist, mögen Sie Joan vermutlich noch mehr als zuvor, weil Sie die Liste ihrer positiven Merkmale um Großzügigkeit erweitert haben.
    Tatsächliche Beweise für Großzügigkeit fehlen in Joans Geschichte, und die Lücke wird durch eine Vermutung gefüllt, die der subjektiven emotionalen Reaktion auf sie entspricht. In anderen Situationen sammeln sich nach und nach Hinweise an, und die

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