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Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Titel: Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kahneman
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Zeit und Mühe sparen. Dagegen sind voreilige Schlüsse riskant, wenn die Situation unbekannt ist, viel auf dem Spiel steht und man keine Zeit hat, weitere Informationen zu sammeln. Unter solchen Umständen sind intuitive Fehler wahrscheinlich, die allerdings durch eine gezielte Intervention von System 2 verhindert werden können.

Vernachlässigung von Ambiguität und Unterdrückung von Zweifeln
    Abbildung 6
    Was haben die drei Skizzen in Abbildung 6 gemeinsam? Die Antwort lautet, dass sie alle mehrdeutig sind. Sie haben den Inhalt des linken Kästchens zweifellos als A B C gelesen und den des rechten Kästchens als 12 13 14, aber die mittleren Elemente in beiden Kästchen sind gleich. Sie hätten die beiden Folgen genauso gut als A 13 C oder 12 B 14 lesen können, aber das haben Sie nicht getan. Warum nicht? Die gleiche Figur wird in einem Kontext von Buchstaben als Buchstabe gelesen und in einem Kontext von Zahlen als Zahl. Der gesamte
Kontext beeinflusst die Interpretation jedes Elements. Die Gestalt ist nicht eindeutig, aber man springt zu einer Schlussfolgerung über ihre Identität, und man wird sich der Ambiguität, die beseitigt wurde, nicht bewusst.
    Was Ann betrifft, stellten Sie sich vermutlich eine Frau vor, die an Geld dachte und auf ein Gebäude mit Geldautomaten und Tresoren zugeht. Aber diese plausible Interpretation ist nicht die einzig mögliche; der Satz ist mehrdeutig. Wenn ein früherer Satz »Sie trieben sanft den Fluss hinunter« gelautet hätte, hätten Sie sich eine völlig andere Szene vorgestellt. Wenn Sie gerade an einen Fluss dachten, ist das Wort »Bank« [i. S. von Sandbank] nicht mit Geld assoziiert. Da ein expliziter Kontext fehlte, erzeugte System 1 von sich aus einen wahrscheinlichen Kontext. Wir wissen, dass es System 1 ist, weil Sie sich der Wahl oder der Möglichkeit einer anderen Interpretation nicht bewusst waren. Wenn Sie nicht vor Kurzem Kanu gefahren sind, haben Sie vermutlich mehr Zeit damit verbracht, auf Banken zu gehen, als auf Flüssen zu treiben, und Sie haben diese Ambiguität entsprechend aufgelöst. Wenn System 1 unsicher ist, wettet es auf eine Antwort, und die Wetten werden von unseren bisherigen Erfahrungen bestimmt. Die Wettregeln sind intelligent: Jüngste Ereignisse und der gegenwärtige Kontext haben das größte Gewicht bei der Interpretation. Wenn uns kein Ereignis aus jüngster Vergangenheit einfällt, kommen länger zurückliegende Erinnerungen zum Tragen. Zu Ihren frühesten und unvergesslichsten Erfahrungen gehört das Singen des Abc; Sie haben nicht »A13C« gesungen.
    Der wichtigste Aspekt der beiden Beispiele besteht darin, dass eine klare Entscheidung getroffen wurde, aber Sie haben nichts davon mitbekommen. Nur eine Interpretation fiel Ihnen ein, und die Ambiguität wurde Ihnen nicht bewusst. System 1 protokolliert nicht die Alternativen, die es verwirft, oder auch nur die Tatsache, dass es Alternativen gab. Bewusste Zweifel gehören nicht zum Repertoire von System 1; dazu wäre es erforderlich, gleichzeitig an miteinander unvereinbare Interpretationen zu denken, wozu es mentaler Anstrengung bedürfte. Ungewissheit und Zweifel sind die Domäne von System 2.

Die Vorliebe, Aussagen zu glauben und eigene Erwartungen zu bestätigen
    Der Psychologe Daniel Gilbert, der weithin bekannt ist als Autor des Bestsellers Ins Glück stolpern , schrieb einmal einen Aufsatz mit dem Titel »Wie mentale Systeme glauben«. Darin entwickelte er eine Theorie des Glaubens und
Nichtglaubens von Aussagen, die er auf den im 17. Jahrhundert lebenden Philosophen Baruch de Spinoza zurückführte. Gilbert behauptete, das Verstehen einer Aussage beginne mit dem Versuch, sie zu glauben: Man muss zuerst wissen, was die Aussage bedeuten würde, wenn sie wahr wäre. Erst dann kann man entscheiden, ob man sie für unwahr hält oder nicht. Der anfängliche Versuch, zu glauben, ist eine automatische Operation von System 1, die mit der Konstruktion der bestmöglichen Interpretation der Situation verbunden ist. Selbst eine unsinnige Aussage, so Gilbert, wird zunächst einmal geglaubt. Nehmen wir folgendes Beispiel: »Renken essen Bonbons.« Wahrscheinlich waren Ihnen vage Eindrücke von Fischen und Bonbons bewusst, während Ihr assoziatives Gedächtnis automatisch auf Verknüpfungen zwischen den beiden Vorstellungen durchmustert wurde, die eine sinnvolle Interpretation des unsinnigen Satzes erlauben würden.
    Gilbert vertritt die Auffassung, dass das Nichtglauben eine Operation von

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