Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
wahr ist. 10 Wie lauten die richtigen Antworten für die folgenden Sätze?
Einige Straßen sind Schlangen.
Einige Arbeitsplätze sind Schlangen.
Einige Arbeitsplätze sind Gefängnisse.
Alle drei Sätze sind im wörtlichen Sinne falsch. Doch ist Ihnen vermutlich aufgefallen, dass der zweite Satz offenkundiger falsch ist als die anderen beiden – die bei dem Experiment gemessenen Reaktionszeiten bestätigten einen deutlichen Unterschied. Der Grund für diesen Unterschied liegt darin, dass die beiden schwierigen Sätze im übertragenen Sinne wahr sein können. Auch hier rief die Absicht, eine Berechnung durchzuführen, eine weitere Berechnung hervor. Aber auch hier setzte sich in dem Konflikt die richtige Antwort durch, auch wenn der Konflikt mit der irrelevanten Antwort die Leistung beeinträchtigte.
Im nächsten Kapitel werden wir sehen, dass die Kombination einer mentalen Schrotflinte mit Intensitätsabstimmungen erklärt, weshalb wir viele Dinge, über die wir wenig wissen, intuitiv beurteilen.
Zum Thema »Urteile«
»Die Beurteilung der Attraktivität von Menschen ist eine elementare Bewertung. Wir tun dies automatisch, ob wir es wollen oder nicht, und es beeinflusst uns.«
»Es gibt Schaltkreise im Gehirn, die anhand der Gesichtsform die Dominanz der betreffenden Person einschätzen. Sie scheint für eine Führungsaufgabe geeignet zu sein.«
»Eine Strafe wird nur dann als gerecht empfunden, wenn ihre Intensität dem Verbrechen angemessen ist. So, wie man die Lautstärke eines Tons mit der Helligkeit eines Lichts zur Übereinstimmung bringen kann.«
»Dies war ein eindeutiger Fall einer mentalen Schrotflinte. Er wurde gefragt, ob er die Firma für finanziell solide halte, aber er konnte nicht vergessen, dass er ihre Produkte mochte.«
9. Eine leichtere Frage beantworten
Ein bemerkenswerter Aspekt unseres geistigen Lebens besteht darin, dass wir nur selten überfragt sind. Es stimmt, gelegentlich sind wir mit einer Frage wie 17 × 24 = ? konfrontiert, deren Lösung uns nicht auf Anhieb einfällt, aber diese Momente der Ratlosigkeit sind selten. Unser Geist funktioniert normalerweise so, dass wir intuitive Gefühle und Meinungen über fast alles haben, was uns begegnet. Man findet Menschen sympathisch oder unsympathisch, lange bevor man viel über sie weiß; man vertraut oder misstraut Fremden, ohne zu wissen, wieso; man spürt, dass ein Unternehmen erfolgreich sein wird, ohne es zu analysieren. Unabhängig davon, ob wir sie explizit formulieren oder nicht, haben wir oft Antworten auf Fragen, die wir nicht vollständig verstehen, und wir stützen uns dabei auf Hinweise, die wir weder erklären noch verteidigen können.
Fragen ersetzen
Ich schlage eine einfache Erklärung dafür vor, wie wir uns intuitive Meinungen über komplexe Sachverhalte bilden. Wenn eine befriedigende Antwort auf eine schwierige Frage nicht schnell gefunden wird, findet System 1 eine ähnliche Frage, die leichter ist, und beantwortet diese. Ich nenne diese Operation der Beantwortung einer Frage anstelle einer anderen »Ersetzung«. Außerdem führe ich die folgenden Bedingungen ein:
Die Zielfrage liefert die Beurteilung, nach der man strebt.
Die heuristische Frage ist die einfachere Frage, die man stattdessen beantwortet.
Eine Heuristik ist, technisch definiert, ein einfaches Verfahren, das uns hilft, adäquate, wenn auch oftmals unvollkommene Antworten auf schwierige Fragen zu finden. Das Wort hat die gleiche Wurzel wie der Ausruf »heureka!«. Schon zu einem frühen Zeitpunkt meiner Zusammenarbeit mit Amos entwickelten
wir das Konzept der Ersetzung, das den Kern der späteren Theorie der Heuristiken und kognitiven Verzerrungen bildete. Wir fragten uns, wie es Menschen fertigbringen, Wahrscheinlichkeitsurteile abzugeben, ohne genau zu wissen, was Wahrscheinlichkeit bedeutet. Wir gelangten zu dem Schluss, dass Menschen diese unmögliche Aufgabe irgendwie vereinfachen müssen, und wir nahmen uns vor, herauszufinden, wie sie das tun. Unsere Antwort lautete, dass Menschen, wenn sie aufgefordert werden, die Wahrscheinlichkeit von etwas einzuschätzen, tatsächlich etwas anderes beurteilen, aber glauben, sie hätten die Wahrscheinlichkeit beurteilt. System 1 verfährt oftmals so, wenn es mit schwierigen Zielfragen konfrontiert ist, sofern es eine ähnliche, aber leichtere heuristische Frage müheloser beantworten kann.
Die Ersetzung einer Frage durch eine andere kann eine gute Strategie zur Lösung schwieriger
Weitere Kostenlose Bücher