Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
zufällig zu sein. »Dem ungeübten Auge«, bemerkt Feller, »erscheint eine zufällige Anordnung als Regelmäßigkeit oder Tendenz zur Clusterbildung.«
Ich hatte bald Gelegenheit, das, was ich von Feller gelernt hatte, anzuwenden. Der Jom-Kippur-Krieg brach 1973 aus, und mein einziger substanzieller Beitrag zu den Kriegsanstrengungen war der Ratschlag an hohe Offiziere der israelischen Luftwaffe, eine laufende Untersuchung einzustellen. Der Luftkrieg
verlief zunächst wegen der überraschend guten Treffgenauigkeit ägyptischer Boden-Luft-Raketen ziemlich schlecht für Israel. Die Verluste waren hoch, und sie schienen ungleichmäßig verteilt zu sein. Man erzählte mir von zwei Geschwadern, die auf demselben Luftwaffenstützpunkt stationiert waren und von denen das eine vier Flugzeuge verloren hatte, während das andere keine Verluste zu beklagen hatte. Es wurde eine Untersuchung eingeleitet, um in Erfahrung zu bringen, was das vom Pech verfolgte Geschwader falsch machte. Es gab im Vorfeld keine Anhaltspunkte dafür, dass eines der beiden Geschwader leistungsfähiger war als das andere, und es wurden keine Unterschiede bei der Einsatzfähigkeit festgestellt. Aber natürlich unterschieden sich die Lebensweisen der Piloten in vielfältiger zufallsabhängiger Weise, unter anderem auch darin, wie ich mich erinnere, wie oft sie zwischen den Einsätzen nach Hause fuhren und wie die Nachbesprechungen geführt wurden. Mein Rat an das Oberkommando lautete, sie sollten sich damit abfinden, dass die verschiedenen Ergebnisse rein zufällig zustande gekommen seien, und sie sollten die Befragung der Piloten einstellen. Ich argumentierte, dass der Zufall die wahrscheinlichste Antwort sei, dass eine Suche ins Blaue hinein nach einer verborgenen Ursache aussichtslos sei und dass in der Zwischenzeit die Piloten in dem Geschwader, das Verluste erlitten hatte, nicht der zusätzlichen Belastung ausgesetzt werden sollten, ihnen das Gefühl zu geben, sie und ihre toten Freunde hätten sich falsch verhalten.
Einige Jahre später erregten Amos und seine Studenten Tom Gilovich und Robert Vallone mit ihrer Studie über Fehleinschätzungen von Zufallsereignissen im Basketball großes Aufsehen. 6 Die »Tatsache«, dass Spieler hin und wieder eine glückliche Hand haben, wird von Spielern, Trainern und Fans allgemein anerkannt. Die Schlussfolgerung daraus scheint unwiderstehlich zu sein: Ein Spieler schafft es, drei oder vier Bälle hintereinander im Korb zu versenken, sodass sich einem das spontane Urteil aufdrängt, dass dieser Spieler jetzt eine glückliche Hand hat, mit einer vorübergehend erhöhten Treffsicherheit. Spieler beider Mannschaften passen ihr Verhalten an dieses Urteil an – Teamkollegen spielen den Ball eher dem Torjäger zu, und die Abwehr wird ihn eher decken. Doch Analysen von Tausenden von Torwürfen erbrachten ein ernüchterndes Ergebnis: Im Profibasketball gibt es nichts dergleichen wie eine glückliche Hand, weder beim Werfen vom Spielfeld noch beim Werfen von der Freiwurflinie. Natürlich sind einige Spieler treffsicherer als andere, aber die Folge von Treffern und Fehlwürfen besteht jeden Zufallstest. Die glückliche Hand liegt zur Gänze im Auge der Betrachter, die immer allzu schnell in zufälligen Ereignissen
Ordnung und Kausalität erkennen. Die glückliche Hand ist eine mächtige und weitverbreitete kognitive Illusion.
Die öffentliche Reaktion auf diese Studie ist Teil der Geschichte. Die Ergebnisse wurden wegen ihres überraschenden Charakters von der Presse aufgegriffen, und die allgemeine Reaktion war Ungläubigkeit. Als der gefeierte Trainer der Boston Celtics, Red Auerbach, von Gilovich und seiner Studie hörte, antwortete er: »Wer ist dieser Kerl? Hat also eine Studie gemacht. Das ist mir völlig schnuppe.« Die Tendenz, Muster in Zufallsereignissen zu erkennen, ist einfach unwiderstehlich – sie ist gewiss eindrucksvoller als irgend so ein Typ, der eine Studie macht.
Die Musterillusion wirkt sich auch außerhalb des Basketballfeldes in vielfältiger Weise auf unser Leben aus. Wie viele gute Jahre sollte man warten, bis man den Schluss zieht, dass ein Vermögensberater ungewöhnlich tüchtig ist? Wie viele erfolgreiche Zukäufe sind nötig, damit ein Verwaltungsrat den sachlich begründeten Schluss ziehen kann, dass der Vorstandschef eine außergewöhnliche Begabung für solche Übernahmen hat? Die einfache Antwort auf diese Frage lautet, dass man, wenn man sich auf seine Intuition verlässt,
Weitere Kostenlose Bücher