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Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Titel: Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kahneman
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Partnerwahl zu Kompromissen gezwungen, weil intelligente Männer nicht mit intelligenten Frauen konkurrieren wollten. Bei einer guten Party werden auch weiter hergeholte Erklärungen aufgetischt werden. Betrachten wir nunmehr folgende Aussage:
    Die Korrelation zwischen den IQ-Werten von Ehegatten ist weniger als perfekt.
    Die Aussage ist offenkundig wahr und völlig uninteressant. Wer würde eine perfekte Korrelation erwarten? Es gibt nichts zu erklären. Aber die Aussage, die Sie interessant gefunden haben, und die Aussage, die Sie trivial gefunden haben, sind algebraisch äquivalent. Wenn die Korrelation zwischen der Intelligenz von Ehegatten weniger als perfekt ist (und wenn Männer und Frauen im Durchschnitt nicht unterschiedlich intelligent sind), dann ist es mathematisch unausweichlich, dass hochintelligente Frauen mit Männern verheiratet sind, die im Schnitt weniger intelligent sind als sie (und umgekehrt natürlich). Die beobachtete Regression zum Mittelwert kann nicht interessanter oder erklärbarer sein als die imperfekte Korrelation.
    Vermutlich haben Sie Verständnis für Galtons Ringen mit dem Regressionsbegriff. Tatsächlich pflegte der Statistiker David Freedman zu sagen, dass,
wenn in einem straf- oder zivilrechtlichen Verfahren das Thema Regression aufkommt, jene Seite, die die Regression erklären muss, den Prozess verlieren wird. Weshalb ist dieses Phänomen so schwer zu verstehen? Der Hauptgrund für die Schwierigkeit ist ein wiederkehrendes Thema dieses Buches: Unser Intellekt zeichnet sich durch eine starke Neigung zu kausalen Erklärungen aus und kommt nicht gut mit »bloßer Statistik« zurecht. Wenn unsere Aufmerksamkeit auf ein Ereignis gelenkt wird, sucht das assoziative Gedächtnis nach dessen Ursache – genauer gesagt, breitet sich die Aktivierung automatisch auf jede Ursache aus, die bereits im Gedächtnis gespeichert ist. Kausale Erklärungen werden abgerufen, wenn eine Regression erkannt wird, aber sie sind falsch, weil Regressionen zum Mittelwert eine Erklärung, aber keine Ursache haben. Das Ereignis, das bei dem Golfturnier unsere Aufmerksamkeit erregt, ist die häufige Leistungsverschlechterung bei den Golfern, die an Tag eins erfolgreich waren. Die lässt sich am besten damit erklären, dass diese Golfer an jenem Tag ungewöhnlich viel Glück hatten, aber dieser Erklärung fehlt die kausale Kraft, die unser Intellekt bevorzugt. Tatsächlich bezahlen wir bestimmte Personen sehr gut dafür, dass sie interessante Erklärungen für Regressionseffekte liefern. Ein Wirtschaftskommentator, der richtigerweise feststellt, dass »das Unternehmen dieses Jahr bessere Ergebnisse erzielte, weil seine Geschäfte letztes Jahr so schlecht liefen«, wird vermutlich nicht lange auf Sendung sein.
    Unsere Schwierigkeiten mit dem Regressionsbegriff rühren sowohl von System 1 als auch von System 2 her. Ohne spezielle Schulung und in nicht wenigen Fällen sogar nach einer statistischen Unterweisung bleibt der Zusammenhang zwischen Korrelation und Regression im Dunkeln. System 2 fällt es schwer, zu verstehen und zu lernen. Dies hängt zum Teil mit der beharrlichen Forderung nach kausalen Interpretationen zusammen, die ein Merkmal von System 1 ist.
    Bei depressiven Kindern, die mit einem Energiedrink behandelt werden, verbessert sich die Stimmungslage deutlich über einen dreimonatigen Zeitraum.
    Ich habe diese Schlagzeile erfunden, aber die Tatsache, über die dort berichtet wird, ist wahr: Wenn man eine Gruppe depressiv verstimmter Kinder eine Zeit lang mit einem Energiedrink behandeln würde, würden sie eine klinisch signifikante Verbesserung zeigen. Es ist ebenso der Fall, dass sich bei depressiven Kindern, die jeden Tag eine Zeit lang Kopfstand machen oder zwanzig
Minuten eine Katze streicheln, die Gemütslage aufhellt. Die meisten Leser solcher Schlagzeilen werden unwillkürlich folgern, dass der Energiedrink oder das Streicheln der Katze die Stimmungsaufhellung verursachte, aber diese Schlussfolgerung ist völlig ungerechtfertigt. Depressive Kinder sind eine Extremgruppe, sie sind bedrückter als die meisten anderen Kinder – und Extremgruppen regredieren mit der Zeit zum Mittelwert. Die Korrelation zwischen Depressionsscores in aufeinanderfolgenden Depressionstests ist nicht perfekt, sodass es zu einer Regression zum Mittelwert kommt: Die Stimmungslage depressiver Kinder wird sich mit der Zeit auch dann in einem gewissen Umfang verbessern, wenn sie keine Katzen streicheln und keinen

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