Schnellkurs in Sachen Liebe
Morgen nicht. Vermutlich steckte er oben auf einer Klippe oder bereits tief im Bauch eines Hais.
Sie hatte versucht, sich einzureden, dass seine andauernde Abwesenheit ihr nichts ausmachte und nichts mit den Ereignissen des vergangenen Abends zu tun hatte. Sie hatte versucht, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Beides war ihr nicht besonders gut gelungen.
„Seb ist bereit, die Insel zu verlassen“, sagte Tomas und holte sie mit einem Schlag in die Gegenwart zurück. „Vielen Dank für den Motivationsschub.“
„Der war gar nicht beabsichtigt.“
„Das ist mir egal. Er war schon viel zu lange dort. Er muss wieder an die Arbeit. Apropos, wie läuft denn deine Arbeit?“
„Ich fahre alle Geschütze auf. Bislang habe ich noch gar nichts.“
„Hast du schon mal überlegt, dass dieser Code vielleicht einer ist, den du einfach nicht knacken kannst?“, fragte er sanft.
„Ganz ehrlich? Nein. Scheitern ist keine Option. Ich brauche einfach mehr Zeit.“ Poppy fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und wäre unruhig durchs Zimmer getigert, wenn die Länge des Kabels es zugelassen hätte. „Und was deinen Bruder angeht, wenn er die Insel so dringend verlassen will, kann er mich dann nicht einfach hierlassen und gehen?“
„Das wird er nicht tun.“
„Ich brauche keinen Babysitter, Tomas.“
„Es ist ein bisschen einsam und abgeschieden, Poppy. Ich tendiere dazu, Seb in diesem Fall rechtzugeben.“
„Also gut, wenn ihr beide meint, ich bräuchte einen Aufpasser, dann kann ich jederzeit einen Freund bitten, rüberzukommen und ein paar Tage zu bleiben, bis ich fertig bin. Ich kenne eine Menge dieser Action-Typen, die nur zu gerne den Helden spielen würden. Ich brauche nur dein Einverständnis, die Einladung auszusprechen.“
„Frag nicht mich“, wehrte Tomas ab. „Frag Seb.“
„Nun, das würde ich, wenn er hier wäre. Aber ich habe ihn den ganzen Tag noch nicht gesehen.“
„Wo ist er?“, fragte Tom. „Ich bin verwirrt.“
„Sind wir das nicht alle“, versetzte Poppy. „Wolltest du sonst noch was?“
Der Rest des Tages verging in Poppys Augen quälend langsam, und das lag nicht nur daran, dass Seb um die Mittagszeit zurückkehrte und wie ein gefangener Tiger durch sein Büro streifte. Er machte ungefähr ein Dutzend Anrufe und nahm ebenso viele entgegen. Er befahl, dass man ihm E-Mails schickte, und tigerte weiter durch den Raum. Der Mann schien ein verdammt starkes Bedürfnis zu haben, irgendwo anders zu sein, dachte Poppy grimmig. Ob das an den Umständen lag oder an ihrer Anwesenheit, konnte sie nicht sagen.
Auf jeden Fall verdoppelte sie ihre Anstrengung, den Code zu knacken. Zweimal sorgte sie dafür, dass der Computer abstürzte und mit ihm alle Elektrogeräte im Haus. Trotzdem war sie dem Ziel, Jareds Akte zu lesen, noch kein Stück nähergekommen – wenn es denn überhaupt Jareds Akte war.
Wer wusste das schon?
„Ich würde dich ja fragen, was zur Hölle du da tust“, murmelte Seb, als er sich auf den Weg machte, erneut den Generator anzuwerfen. Diesmal nahm er Poppy mit, damit sie beim nächsten Mal selbst zurechtkam. „Nur ist es allzu offensichtlich, dass du das selbst nicht weißt. Andernfalls würdest du aufhören, es zu tun.“
Poppy warf ihm einen schneidenden Blick zu, der ihn leider kein bisschen einschüchterte.
„Also, wie läuft deine Arbeit?“, erkundigte er sich.
„Was glaubst du denn, wie sie läuft?“, fauchte sie zurück.
„Oh, so gut?“, bemerkte er spöttisch. „Gibt es irgendetwas, womit ich dir helfen kann? Abgesehen davon, dass ich den Generator wieder zum Laufen bringe?“
„Nein“, sagte sie. „Aber vielen Dank.“ Das Dankeschön kam als Nachsatz, doch als er ihr zeigte, wie man das Schaltpult des Generators bediente, um ihn wieder in Gang zu setzen, bedankte sie sich offener und bereitwilliger.
„Es tut mir leid“, sagte sie als Nächstes. „Ich mache überhaupt keine Fortschritte, und Tomas hat heute Morgen angerufen und gesagt, dass du die Insel verlassen willst. Er hat auch gesagt, dass du mich nicht allein hierlassen willst. Ich hasse den Gedanken, dass du auf glühenden Kohlen sitzt und auf das Ende meiner Arbeit wartest, während ich überhaupt nicht sagen kann, wie lange es noch dauern wird. Aber ich habe eine Lösung. Du gehst. Ich bleibe. Und ich sorge dafür, dass jemand kommt, der mir hier Gesellschaft leistet.“
„Wer?“
„Trig, wenn er gerade da ist. Ansonsten ein anderer Freund meines Bruders Jared. Sie sind
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