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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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hat dir das erzählt, oder? Hab ich recht?«
    Liz nickt unwillkürlich, dann wird ihr bewusst, dass er sie in der Dunkelheit nicht sehen kann.
    Â»Ich wusste es«, flüstert Valerius.
    Offenbar braucht er ihre Antworten gar nicht. Oder er kann mich sehen , zuckt es ihr durch den Kopf.
    Â»Du lässt dich von ihm verarschen, Liz, wie alle anderen auch. Darin war er schon immer ganz groß.«
    Â»Was … was soll das heißen?«
    Â»Psychiatrie, da hätte er viel zu viel erklären müssen. Er hätte sagen müssen, dass ich sein Sohn bin. Hätte Dokumente unterzeichnen müssen, mit seinem Namen. Er hätte zu mir stehen müssen«, flüstert Valerius, und seine Stimme scheint von der Gewölbedecke herabzutropfen, direkt in Liz’ Ohr. »Nein, Liz. Er hat mir ein Gefängnis gebaut, eine Zelle, nur für mich. Da hat er mich eingesperrt, alleine, fast dreißig Jahre lang.«
    Â»O Gott«, haucht Liz.
    Valerius lacht leise. »Du kennst es sogar. Ich hab dafür gesorgt, dass du es kennenlernst. Ein Keller, in den Fels gehauen, mitten in der Schweiz.«
    Liz schnürt es den Hals zu. Das Haus bei Wassen. Von Braunsfeld hat seinen Sohn dreißig Jahre lang im Keller eines eigens dafür gebauten Schweizer Chalets gefangen gehalten, ohne dass irgendjemand etwas davon wusste.
    Â»Genauso gut hätte er mich lebendig begraben können. Er hätte mich besser getötet, aber dafür war er zu feige. Er hat einfach nur so getan, als wäre ich tot. Nachdem er das Haus gebaut hatte, hat er nie wieder einen Fuß über die Schwelle gesetzt. Weißt du, was er getan hat? Er hat mir eine Krankenschwester gekauft, mit seinem Scheißgeld, Bernadette hieß sie, eine frustrierte alte Schachtel, die mir Essen und Klopapier gebracht hat, das höchste der Gefühle waren ein paar Bücher, billige Romane oder Fachliteratur über Medizin – immerhin. Das war das einzige Thema, über das ich mit ihr sprechen konnte: Medizin. Und warum sie ihr beschissenes Studium nicht geschafft hatte. Und dann fiel sie eines Tages einfach tot um. Bum. Ende. Und niemand hat’s gemerkt. Wie denn auch? Es war ja keiner da. Also hab ich gehungert. Das Einzige, was ich hatte, war fließendes Wasser. Dreiundvierzig Tage lang. Weißt du, wie das ist? Dann kam Yvette. Die nächste Krankenschwester, oder vielleicht besser: Gefängniswärterin. Nicht ein einziges Mal hat sie das verdammte Gitter geöffnet. Und glaub mir, ich habe jedes Mal darauf gelauert, jedes Mal!«
    Â»Wie … wie sind Sie da rausgekommen?«, stottert Liz fassungslos.
    Â»Ich wusste, dass Yvette genauso einsam war wie ich. Sie war jünger als Bernadette. Das war ein Fehler von ihm, er hätte mir wieder eine alte Schachtel kaufen müssen. Wenn man jung ist, kann man nicht jahrzehntelang einen Menschen im Kerker gefangen halten und gleichzeitig ein unbeschwertes Leben führen. Also haben wir geredet; irgendwann war es fast wie in einer Ehe, nur dass die Gitterstäbe immer da waren. Und sie kam dem Gitter nie zu nah. Niemals. Nur dieses eine Mal, letztes Jahr, im Oktober, nur ganz kurz. Ich bekam sie zu packen, die Durchreiche zwischen den Stäben war groß genug für meinen Arm. Und die dumme Kuh war so unvorsichtig, den Schlüssel dabeizuhaben, an ihrem Schlüsselbund, mit allen anderen Schlüsseln des Hauses. Als ich ihn ins Schloss gesteckt habe, hätte ich ihn beinah abgebrochen. Er ließ sich kaum drehen.«
    Â»Und Yvette? Was haben Sie …«
    Â»Ich hätte sie töten können. Das Verlangen war beinah übermächtig. Aber es war … es ging nicht. Ich habe sie an meiner Stelle eingesperrt. Und später war ich froh darüber. Ich konnte sie gut gebrauchen, auch als du kamst, da hatte ich jemanden, der sich um dich kümmern konnte.«
    Liz wird schwindelig. Mit beiden Händen tastet sie sich um die Säule herum, nur weg von seiner Stimme. »Was wollen Sie von mir?«, flüstert sie heiser.
    Â»Das weißt du schon«, raunt Valerius. »Ich will, dass du stirbst, für mich.«
    Die Angst dringt wie Salzsäure in ihre Haut. »Warum?«, fragt sie heiser.
    Â»Das habe ich dir schon gesagt.«
    Â»Wegen dem 13. Oktober?«
    Â»Ja. Aber jetzt muss es früher passieren. Deine Schuld. Das ist alles deine Schuld.«
    Â»Was ist am 13. Oktober passiert?«
    Â»Er hat dir nie davon erzählt,

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