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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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Beruhigen Sie sich. Wir schicken jemanden hin. Sagen Sie mir jetzt bitte noch –«
    Wutentbrannt legt Gabriel auf und wirft das Handy auf den Beifahrersitz. Dann biegt er in die Drakestraße ein. Er drückt das Gaspedal weiter durch und prescht nach Norden. Die Tachonadel zittert oberhalb von neunzig Stundenkilometern.
    Fahr langsamer, verdammt. Willst du uns umbringen?
    Sie braucht Hilfe! Kapierst du das nicht?
    Meinst du, du hilfst ihr, wenn du uns umbringst?
    Seit wann machst du hier auf weißer Ritter? Ich dachte, sie ist dir scheißegal.
    Ist sie ja auch. Also reiß dich zusammen.
    Â»Leck mich!«, flüstert Gabriel und starrt geradeaus durch die Windschutzscheibe. Plötzlich klingelt sein Handy. Er sieht aufs Display, das die Nummer der Python-Zentrale anzeigt. Cogan. Er drückt ihn rasch weg und richtet die Augen wieder nach vorne, auf die Straße. Aus den Augenwinkeln sieht er noch, dass von rechts ein Lichtstreifen kommt, gefolgt von einem dunklen Schatten. Reflexartig tritt er auf die Bremse, dann gibt es einen ohrenbetäubenden trockenen Knall, als er den anderen Wagen am Kotflügel rammt und ihn aus dem Weg drückt. Der Golf bricht nach links aus, schleudert, das linke Vorderrad springt mit einem harten Schlag über die Bordsteinkante wie ein bockender Gaul. Er wird nach vorne in den Gurt gepresst und prallt zurück, gegen den Sitz. Durch seine Schulter zuckt ein stechender Schmerz. Dann bleibt der Golf stehen.
    Die plötzliche Stille ist erdrückend. Gabriel schnappt nach Luft. Sein Fuß steht immer noch mit voller Kraft auf der Bremse. Das Adrenalin lässt ihn zittern.
    Er dreht sich um, nach dem anderen Wagen. Seine Schulter brüllt vor Schmerzen. Etwa fünfzehn Meter hinter ihm steht ein nachtblauer Jaguar auf der Kreuzung, flach wie ein Rochen, der linke Kotflügel sieht aus, als hätte jemand etwas aus dem Wagen herausgebissen. Die Türen klappen auf, und der Fahrer, ein korpulenter Mittfünfziger, quält sich aus dem Sportwagen. Die Beifahrerin steigt ebenfalls aus und zeigt auf Gabriel. Sie hat glatte blonde Haare und trägt eine schwarze enganliegende Hose und ein Jackett mit Leopardenfellmuster. Ihre Stöckelschuhe klappern auf dem Asphalt, als sie näher kommt, doch der Mann packt sie am Arm und hält sie zurück. Wütend starrt sie Gabriel ins Gesicht.
    Gabriel löst den Fuß von der Bremse und tritt aufs Gas. Holpernd setzt sich der Golf wieder in Bewegung. Es knirscht, als ein Kunststoffteil der deformierten Frontpartie auf die Straße fällt und unter die Reifen gerät. Im Rückspiegel sieht er die Leopardenfrau, die ihm mit offenem Mund hinterherstarrt.
    Ich komme, Liz, denkt er.
    Du machst einen Idioten aus dir, Luke. Immer wenn’s um diese Frau geht, verlierst du die Kontrolle. Und du weißt doch, was passiert, wenn du die Kontrolle verlierst?

Kapitel 8
    Berlin – 2. September, 00:34 Uhr
    Gabriel fährt die dreispurige Danziger Straße hinunter, immer am Parkrand entlang. Das unstete leise Klappern der lädierten Wagenfront klingt wie eine Herzrhythmusstörung. Schon von weitem sieht er auf der Höhe der Cotheniusstraße Blaulichter zucken, und sein Magen verknotet sich. Am dicht zugewachsenen Parkeingang neben der Badmintonhalle stehen ein Rettungswagen, ein Notarztwagen und zwei Polizeiautos.
    Gabriel schlägt das Lenkrad ein. Als er über die Bordsteinkante auf den Gehweg fährt, wird der Reifen in den zerdrückten Kotflügel gepresst. Es knirscht erbärmlich.
    Er steigt aus und rennt los. Wie ferngesteuert läuft er den geschwungenen Weg hinunter, in den Park hinein. Die meisten Bäume hier kennt er. Er betrachtet sie, wenn er mit Liz hier entlanggeht, sie beruhigen ihn und geben ihm das Gefühl, dass ein Spaziergang einen Sinn hat.
    Hinter der nächsten Biegung, der Biegung, wo Liz ihm gesagt hatte, dass sie das Kind behalten wollte, öffnet sich das lange gerade Wegstück, auf dem er nur hatte schweigen können. Ein Kind. Er und ein Kind. Das alles hatte ihn vollkommen überfahren. In der Nacht darauf war er mehrfach schweißgebadet aufgewacht, nach Träumen von bohrender Intensität, zum Beispiel dem, dass er unter einer sengenden Sonne stand, in einer Wüste mit rotem Sand, in dem seine Arme und Beine festwuchsen wie Schlingpflanzen. Vor ihm stand ein Glas klares Wasser, ein einfaches sauberes Glas. Und das Wasser verdunstete in der Hitze,

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