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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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ohne dass er danach greifen konnte.
    Er schüttelt die Traumbilder ab und hastet weiter, tiefer in den Park hinein. Der Weg unter seinen Schuhen federt, ist aufgeweicht vom vielen Regen. Etwa hundert Meter von ihm entfernt, unter dem diesigen Licht einer Laterne, tanzen mehrere starke Handlampen. Uniformierte Gestalten laufen umher. Etwas abseits, am Wegesrand, stehen zwei Sanitäter mit dem Notarzt und stecken die Köpfe zusammen. Einer von ihnen raucht. Mitten auf dem Weg liegt ein unförmiger grauer Hügel. Ein Körper, bedeckt von einem Laken.
    Liz.
    Ihm wird kalt, von einer Sekunde auf die andere, als sei er in Eis eingebrochen. Der Schock lähmt ihn, und er bleibt stehen, obwohl er rennen will. Wegrennen oder sofort zu ihr rennen. Aber er kann nicht einmal zittern, er steht einfach nur da und starrt auf das Laken.
    Ohne dass er es spürt, machen seine Füße dann doch Schritte. Einen nach dem anderen. Viel zu langsam. Er sieht nichts außer dem Laken und dem Körper darunter, nicht den Polizisten, der ihn misstrauisch beäugt und ihm etwas zuruft, nicht die anderen, ganz so, als würde er durch einen engen Tunnel gehen, an dessen Ende nur dieser Hügel unter dem Laken ist. Obwohl er sich weigert zu glauben, dass das Liz ist, hat sich dieser Gedanke längst in sein Hirn geschlichen und ist nicht mehr fortzudenken. Als er endlich am Ende des Tunnels ankommt, fällt er neben ihr auf die Knie. Spitze Steinchen bohren sich durch seine Haut, aber er spürt sie nicht. Der nasse Boden durchweicht seine Hose augenblicklich.
    Sie sieht so groß aus unter dem Laken! Das ist das Erste, was er denkt.
    Â»Hey, Sie. Nehmen Sie Ihre Finger da weg«, ruft jemand.
    Gabriel blinzelt nicht einmal. Seine rechte Hand greift nach dem Laken. Es fühlt sich feucht an. Schmutzig und klebrig.
    Warum bekommt sie nicht einmal ein sauberes Laken!, denkt er, während er den Stoff anhebt und in das Gesicht der Leiche starrt.
    Es ist das Gesicht eines pickeligen jungen Mannes mit erloschenen Augen und aschfahler Haut. Er trägt eine schmutzige Jeansjacke. Seine Kehle ist mit einem tiefen Schnitt durchtrennt. Blut schimmert schwarz und klebrig auf seinem Hals und dem Kragen seiner Jacke. Gabriel berührt die blutverklebten Hände des jungen Mannes. Eiskalt, aber die Glieder sind noch beweglich. Ein widerlicher Geruch nach Urin und Exkrementen umgibt den Toten wie eine Aura. Vermutlich hat er sich entleert, als sein Körper den letzten Rest Kontrolle verloren hat.
    Gabriel kann nicht anders, als in dieses Gesicht zu starren. Ein enges, unsympathisches und rohes Gesicht.
    Ein Gesicht, das nicht Liz’ Gesicht ist.
    Und nur das zählt in diesem Moment. Jedenfalls diesen einen schier unendlichen Moment lang, bis ihm ein anderer Gedanke kommt.
    Wenn das hier nicht Liz ist, wo ist sie dann?
    Irgendwo in der Nähe jault ein Martinshorn, hell und durchdringend, und es nähert sich rasch.

Kapitel 9
    Berlin – 2. September, 00:39 Uhr
    Liz’ geschlossene Augenlider wölben sich, während ihre Pupillen unter ihnen hin und her wandern. Sie spürt, dass sie noch lebt, doch ihr Kopf und ihr Körper fühlen sich taub an, viel zu taub, um so etwas wie Freude oder Angst zu empfinden, ganz so, als wäre alles in einen dichten Nebel gebettet.
    Ein stetiges Brummen dringt in ihre Ohren. Ein Motor, das muss ein Motor sein. Dann eine Sirene, so laut, dass es in ihrem Kopf schmerzt wie Nadelstiche. Sie spürt, dass sie ihre Arme nicht bewegen kann, dass sie festgeschnallt ist, auf einer Liege oder etwas Ähnlichem. Sofort sucht sie nach einem Gefühl für ihren Bauch, ob die Gurte zu fest sitzen für ihr Baby. Gurte. Warum eigentlich Gurte? Plötzlich wallt eine diffuse Angst in ihr auf. Die Wirbelsäule. Es ist die Wirbelsäule. Patienten, die sich an der Wirbelsäule verletzt haben, werden im Krankenwagen immer fixiert.
    Das Zerrbild eines Rettungswagens geistert durch ihren Kopf, orange und cremeweiß, wie er durch das nächtliche Berlin jagt und im eigenen zuckenden Blaulicht oszilliert wie eine Projektion. Aber wo ist die Sirene, warum hört sie die Sirene nicht mehr?
    Dann hört sie eine Stimme, eine Männerstimme, gedämpft wie durch eine Mauer. »He, hör mal, ich suche den Eingang vom Vivantes Klinikum. Wo muss ich da lang?«
    Â»Ã„h, ist direkt hier um die Ecke«, antwortet eine zweite Stimme, leise und jünger als die erste. »Da

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