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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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Dann öffnet er die Heckklappe des Cayenne, wirft die Kleidung hinein und durchwühlt die Fächer in der Verkofferung auf der Suche nach irgendetwas, das er zum Fesseln benutzen kann. Das einzig Brauchbare, was er findet, ist eine dicke Rolle Paketband.
    Gabriel schließt den Kofferraum und wirft Dressler die Sig Sauer zu. »Halten Sie das Ding fest, mit beiden Händen, Zeigefinger um den Abzug.«
    Dressler steht da wie ein aus dem Altenheim entflohener Greis. »Ich … ich muss …«
    Â»Was?«
    Â»Ich muss … auf Toilette«, stöhnt er.
    Gabriel rollt mit den Augen. »Ein paar Minuten noch, nicht jetzt. Die Hände um die Pistole und vorstrecken.«
    Dresslers letzter Widerstand bricht, er gehorcht wortlos. Gabriel wickelt das klebrige Kreppband mehrfach um Dresslers Hände und um die schwarze Sig Sauer, so dass der Psychiater gleichsam in beidhändiger Schussposition an die Waffe gefesselt ist, die bedrohlich zwischen seinen Händen hervorragt. Zuletzt klebt Gabriel Dressler noch den Mund zu, bugsiert ihn auf die Rückbank, zwingt ihn, sich hinzulegen, und verlässt den Hof in Richtung Zentrum. Dressler rutscht unruhig mit seinem nackten Körper über die beigen Lederpolster des Cayenne.
    Auf der Budapester Straße herrscht reger Morgenverkehr. Besorgt hält Gabriel Ausschau nach Polizeifahrzeugen. Vermutlich läuft inzwischen eine Fahndung nach ihm. Als er den Bahnhof Zoo erreicht, hält er am Straßenrand.
    Der schwarze Cayenne erntet ein paar flüchtige, zumeist neidische Blicke. Als aus dem Fond des Geländewagens ein splitternackter Mann mit einer schussbereiten Pistole in den Händen steigt und über den Bahnhofsvorplatz wankt, macht sich Unruhe breit. Mehrere Passanten fotografieren den Mann mit ihren Handys. Zwei Mädchen kreischen laut und rennen davon. Die Menschen stieben unsicher auseinander und bilden eine Gasse. Es gibt erste Anzeichen von Panik, die in einer ringförmigen Welle über den Platz schwappt, in ihrem Zentrum Dressler. Die Wut und Scham über die ungeheure Demütigung, die sich in Dr. Dresslers Augen spiegeln, lassen ihn nur noch bedrohlicher erscheinen. Niemand beachtet das Kreppband um seine Hände oder seinen verklebten Mund.
    Und niemand beachtet den Porsche, der sich kurz in den Verkehr einreiht, nur um einige hundert Meter weiter am Straßenrand abgestellt zu werden, mit laufendem Motor, offener Tür und dem Schlüssel auf dem ledernen Fahrersitz.

Kapitel 21
    Berlin – 3. September, 08:12 Uhr
    Gabriel fröstelt. Ein unsteter, feuchter Wind schlägt ihm entgegen, und er versucht, noch schneller zu gehen. Die Sorge um Liz, die andauernde Schlaflosigkeit und die Ereignisse der letzten 33 Stunden nagen an ihm.
    Als er das Haus erreicht, bleibt er einen Moment vor der Tür stehen. Sein heißer Atem steigt in dünnen hellen Wolken auf.
    D. Naumann. Kleine schwarze Buchstaben auf dem obersten von elf länglichen Messingschildern neben elf Klingelknöpfen. Tausendmal hat Gabriel in Gedanken vor dieser Klingel gestanden und sie dann doch nie gedrückt.
    Gabriel presst den Daumen auf den Klingelknopf. Das Metall ist kühl. Er wartet eine Weile, dann klingelt er ein zweites Mal.
    Mach auf, verdammt!
    Er war schon immer ein Langschläfer. Hast du das vergessen, Luke?
    Die Klingel wird er ja wohl hören.
    Vermutlich hat er sie abgestellt, nur für den Fall, dass sein Bruder vorbeikommt .
    Gabriel beißt sich auf die Lippen.
    Dann drückt er die Klingel unter der von David. Einen Moment später krächzt eine ältliche Frauenstimme aus dem Lautsprecher. »Hallo? Wer ist denn da?«
    Â»Guten Morgen«, sagt Gabriel. »Ihr Nachbar hat Brötchen bestellt, aber jetzt macht er nicht auf. Ich würd’s ihm gerne vor die Tür stellen. Sie wissen ja, wie das ist, die Leute nehmen ja heutzutage alles mit …«
    Eine Antwort bleibt aus, stattdessen summt das Türschloss, und Gabriel betritt das Treppenhaus. Es riecht nach Putzmitteln. Er lässt die glänzende Aufzugstür links liegen und sprintet die Treppe hoch, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, bis ins Dachgeschoss. Davids Tür ist die einzige im fünften Stock. Er drückt auf die Klingel, und ein dunkles Summen ertönt in der Wohnung.
    So viel zum Thema »Klingel abgestellt«.
    Trotzdem öffnet niemand. Wo zur Hölle ist David?
    Hab ich’s nicht gesagt? Du bist

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