Schnitt: Psychothriller
Gabriel, nickt David zu und läuft durch den Flur.
»Was um alles in der Welt hast du ausgefressen?«, ruft David ihm hinterher.
Im selben Moment knallt Gabriel die Wohnungstür hinter sich zu.
Fünf Stockwerke weiter unten tritt er aus der Haustür, sieht sich um und geht eilig nach rechts, die StraÃe hinunter, dann biegt er in eine ruhige SeitenstraÃe. Im Schatten einer kleinen Hofeinfahrt bleibt er stehen. Er sieht auf den Umschlag in seiner Hand, auf die ungelenken roten Buchstaben. Jedenfalls ist es nicht Lizâ Handschrift. Eilig reiÃt er das braune flache Päckchen an der Seite auf und sieht hinein. Kein Brief, keine Nachricht, stattdessen ein Handy.
Er fischt das Mobiltelefon aus dem Umschlag und starrt es an. Das Gehäuse ist stumpf und zerkratzt, das Plastik ist an mehreren Stellen gesprungen. Dennoch erkennt er es sofort wieder.
Als hätte das Gerät die Berührung gespürt, beginnt es zu klingeln. Das gebrochene Gehäuse schnarrt nervös in Gabriels Hand.
Auch den Klingelton erkennt er sofort. Es ist der gleiche Klingelton wie vorhin, in Davids Wohnung.
Es ist das Handy von Liz.
Kapitel 22
Berlin â 3. September, 08:52 Uhr
»Wow«, sagt Shona, als die Tür hinter Gabriel ins Schloss fällt. »Der kann einem ja richtig Angst machen.«
»Mein Bruder, wie er leibt und lebt«, sagt David. In seiner Stimme schwingt Resignation mit.
»War er schon immer so?«
David zuckt mit den Schultern. »Eigentlich ja. Jedenfalls seit dem Tod unserer Eltern.«
»Wie ist das damals eigentlich passiert, das mit euren Eltern?«
David seufzt. Er steht in der Küche und dreht ein leeres Rotweinglas in den Händen. Dann öffnet er den Kühlschrank und schenkt O-Saft in das Glas.
»Entschuldige«, murmelt Shona. »Ich wollte nicht â¦Â«
David starrt in die gelbe Flüssigkeit, in der sich ein Schleier Rotwein auflöst, und räuspert sich. »Sie sind ermordet worden. Erschossen, um genau zu sein.«
Shona starrt ihn schockiert an. »O Gott. Wie furchtbar.«
David versucht zu lächeln, aber es missrät gründlich. »Die Nacht war ein einziger Horrortrip.«
»Wie alt warst du damals?«
»Sieben. Ich bin aufgewacht, weil es unten im Haus einen irren Tumult gab. Es klang, als ob ein Nilpferd durch unser Haus poltert. Ich wollte runter und nachsehen, aber die Tür war zu. Abgeschlossen.«
»Du warst im Kinderzimmer eingesperrt? Haben deine Eltern das immer so gemacht?«
David schüttelt den Kopf. »Nie. Ich hab Panik bekommen und hab an der Klinke gerüttelt, aber dann hab ich plötzlich einen Schuss gehört. Kurz darauf drei weitere. Danach war es totenstill. Ewig lange. Ich bin unters Bett gekrochen und hab mich nicht gerührt.«
»Wo war denn Gabriel?«
David schweigt einen Moment, dann sagt er leise: »Keine Ahnung. Jedenfalls nicht bei mir in unserem Kinderzimmer.«
Shona sieht ihn verblüfft an. »Du meinst, du warst alleine in eurem Kinderzimmer eingesperrt, und Gabriel war irgendwo im Haus, als eure Eltern erschossen wurden? Hat er gesehen, wer es war?«
»Ich weià es nicht.«
»Habt ihr da nie drüber gesprochen?«
»Nein. Ich meine, doch. Das Problem ist, dass er sich nicht mehr an die Nacht erinnert.«
»Du meinst, so etwas wie eine Gedächtnislücke?«
»Ein Trauma«, nickt David. Er nimmt einen Schluck aus seinem Glas, und der Saft läuft die Kehle hinunter. In seinem Mund breitet sich ein säuerlicher Geschmack aus. »Ein schweres Trauma, das eine Amnesie verursacht hat. Als hätte er diese Nacht aus seinem Kopf gelöscht.«
»O Gott«, wiederholt Shona kopfschüttelnd. »Und wer hat dich dann aus deinem Zimmer befreit?«
»Gabriel.« David nimmt einen weiteren groÃen Schluck. »Nach einer halben Ewigkeit. Es roch plötzlich verbrannt, und dann hab ich gehört, wie jemand die Treppe nach oben gerannt kam, aufgeschlossen hat, und dann stand Gabriel da. Total verstört und gehetzt. Er hat einfach nur meine Hand gepackt und mich die Treppe runtergezogen. Im Wohnzimmer lagen die beiden â¦Â« David stockt. »Das Bild verfolgt mich heute noch.« Er stellt das Glas ab und schenkt sich Orangensaft nach. »Jedenfalls hat Gabriel mich aus dem Haus gezerrt, bis hinaus auf die StraÃe. Irgendwann kam dann die Feuerwehr.«
»Die Feuerwehr?«
»Das Haus ist
Weitere Kostenlose Bücher