Schnitt: Psychothriller
Jonas. »Was sollân das jetzt?«
»Bist du Jonas Schuster?«
Jonas schielt ängstlich nach oben, sucht Gabriels Augen und versucht, seinen Verfolger einzuschätzen. »Und wenn?«
»Ich hab ein paar Fragen.«
»Ich sag nix, Mann.« Jonas schiebt das Kinn vor. »Könn Se vergessân. Nur mit Anwalt.«
»Anwalt. Aha.«
»Ich lass mir nix anhängen.«
»Bist ân Checker, hm?«
Jonas sieht ihn unsicher an.
»Den Anwalt kannst du vergessen, der wird dir nicht helfen. Ich bin kein Bulle, Bullen tauchen immer zu zweit auf. Das sollte einer wie du wissen.«
»Kein Bulle?«, fragt Jonas argwöhnisch. »Echt?«
Im Hausflur springt ein Licht an. Auf der Treppe sind Schritte zu hören.
Gabriels Hand wringt sich erneut in die Kapuze. »Hör zu«, zischt er, »ich weiÃ, dass du in der Klemme steckst. Ich kann dir helfen. Oder ich mach dich fertig. Suchâs dir aus.«
Jonasâ Blick flackert. Die Schritte im Hausflur werden lauter. »Helfen«, murmelt er heiser.
Wortlos greift Gabriel ihm unter die Achseln, stellt ihn auf die Beine. Er legt ihm den rechten Arm um die Schultern und schiebt ihn den Gehweg entlang. Scherben knirschen unter ihren FüÃen, die StraÃenlampe glüht wie ein Nebelscheinwerfer im Sprühregen. Auf der anderen StraÃenseite schält sich der Chrysler Van aus der Dunkelheit. »Rüber zum Wagen.«
Er bugsiert Jonas auf den Beifahrersitz und startet den Chrysler. Schweigend steuert er ihn aus den SeitenstraÃen heraus und biegt auf die Kottbusser StraÃe. Die Scheibenwischer jammern. Jonas hängt im Sitz wie ein Häufchen Elend.
»Wenn Sie kein Bulle sind«, fragte er matt, »was denn dann?«
»Privater Ermittler.«
»Ein Schnüffler?«
»Privater Ermittler«, wiederholt Gabriel sachlich.
»Und was is das, was Sie ermitteln?«
»Ich such denjenigen«, sagt Gabriel, »der deiner Mutter das angetan hat.«
Stille.
Er fragt nicht einmal, »was« ihr angetan wurde, denkt Gabriel.
Jonas beiÃt sich auf die Lippen. Seine Pupillen fliegen unruhig von Punkt zu Punkt. »Sie â sie ist tot, oder?«
Gabriel nickt.
»Woher wissen Sie â«
»Ich hab sie gesehen.«
Jonasâ Augen schwimmen. »Dieses miese Schwein«, sagt er mit zittriger Stimme und wischt sich mit der flachen Hand die Nase ab.
»Es ging gar nicht um sie, er war hinter dir her, oder?«, fragt Gabriel.
Jonas sieht zur Seite. Sein Kinn zittert, doch er presst die Zähne aufeinander, damit Gabriel es nicht merkt, und nickt stumm.
»Was ist passiert?«
»Ich bin ⦠bin nachmittags nach Hause â«
»Wann?«
»Letzte Woche, Freitag. Vâvor acht Tagen.«
Gabriel rechnet rückwärts. Also am 7. September, drei Tage, bevor er Verena Schuster gefunden hat.
»So um drei. Ich hab was ⦠gehört, drauÃen, vor der Tür. Hab gedacht, sie hat Besuch, irgend ânen Kerl. Hat sie öfter. Ich hab also die Tür leise aufgemacht und wollte in mein Zimmer. Und dann hab ich ihn gehört. Ich ⦠ich hab die Stimme erkannt. Und die Tür zur Küche, die war offen, ich hab«, er schluckt und wischt sich einen weiÃlichen Faden Schleim unter der Nase weg, »das Messer gesehen, wie er â¦Â« Er verstummt und starrt durch die Windschutzscheibe auf die nasse StraÃe.
»Was hat er gesagt?«
»Immer das Gleiche. Immer nur: âºWo ist dein Sohn? Sag mir, wo er istâ¹, und dann hat er ⦠Das Messer war in ihr drin, und er hat es gedreht «, schluchzt Jonas.
»Und dann?«
»Ich bin raus. Ich ⦠ich hatte so eine ScheiÃangst, bin abgehauen. Er hat mich gar nicht bemerkt.«
»Und dann?«
»Wie und dann?«
»Bist du noch mal zurück, oder â¦Â«
Jonas schüttelt den Kopf. »Der wartet doch nur auf mich«, flüstert er. »Der bringt mich um. Ich kann nich mehr zurück.«
»Warum hast du nicht die Polizei gerufen?«
»Ich ⦠weil â« Er bricht ab, starrt auf die hin und her fliegenden Scheibenwischer und zieht geräuschvoll die Nase hoch. »Weià nich«, murmelt er leise.
»Was will der Kerl von dir?«
»Weià nich«, flüstert Jonas, wie eine Platte, die einen Sprung hat.
Gabriel biegt halblinks vom Kottbusser Damm auf die Sonnenallee ab. Der Nieselregen hüllt alles
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